: Amerikanische Verhältnisse
Die Weiterbildungsbranche leidet unter der Kürzung staatlicher Zuschüsse und massivem Lohndumping. Auch die Zahl der Kursteilnehmer ist um bis zu 50 Prozent zurückgegangen
VON UWE POLLMANN
„Das ist ein totaler Kahlschlag“, schimpft Martina Wennemann, Geschäftsführerin der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) in Bielefeld. Denn die Arbeitsmarktreformen haben den großen Berufsbildungswerken im Land außerordentliche Umsatzeinbrüche beschert.
Für Umschulungen und berufliche Weiterbildungen gebe es immer weniger Geld. Auch die zunächst viel gelobten „Bildungsgutscheine“ für Arbeitslose würden die Agenturen für Arbeit kaum noch vergeben. Die Folge: Die Schulungsräume der DAA werden immer leerer. Während die DAA-Schulen in Ostwestfalen-Lippe vor zwei Jahren 1.200 Teilnehmer hatten, sind es heute gerade noch 500. Im vergangenen Jahr sei darum der Umsatz abermals gefallen. Um ganze 30 Prozent, stöhnt die ostwestfälische DAA-Leiterin. Und von der 86 Arbeits- und Lehrkräften seien nur noch 42 dabei. Weitere müssten in den nächsten Wochen und Monaten gehen. „Wir haben vollkommene Planungsunsicherheit“, sagt Wennemann. „Das demotiviert natürlich auch die Arbeitslosen sehr.“
Dazu komme der „Umschwung zum Preisdumping“, ergänzt Martina Schirmacher, Geschäftsführerin beim Esta-Bildungswerk, einem der größten Berufsbildungswerke. Die Arbeitsagenturen hätten überall an Billiganbieter Aufträge vergeben. Ein Teil dieser Konkurrenzunternehmen sei längst wieder vom Markt, während gleichzeitig bei den erfahrenen Berufsbildungswerken die Strukturen zerstört wurden. Über 500 Mitarbeiter hatte das Esta-Bildungswerk noch vor zwei Jahren in seinen 24 Bildungsstandorten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Berlin, Chemnitz und Gera. 200 Arbeitskräfte wurden bisher entlassen, weil auch die Teilnehmerzahl der Kurse um 40 Prozent zurückging.
Selbst das Kolping-Bildungswerk bleibt davon nicht verschont, macht Geschäftsführer Werner Sondermann deutlich. Im Bereich des Diözesan-Verbands Paderborn betreue man besonders behinderte und benachteiligte Jugendliche. Aber weniger Förderung und die hohe Konkurrenz hätten dazu geführt, dass die Teilnehmerzahl der Kurse sich verringerte und rund ein Zehntel der Mitarbeiter gehen musste. Natürlich hat Werner Sondermann nichts gegen eine gesunde Konkurrenz, wie er erklärt. Doch was hier passiere, sei „Lohndumping“.
Viele der neu auftretenden Bildungsunternehmen würden Monatsbruttolöhne um 1.600 oder 1.700 Euro zahlen. „Das ist eine Ver-Amerikanisierung der Branche“, sagt Sondermann. „Da ist die Frage, wie kann man das der Zielgruppe noch zumuten.“ Vor allem benachteiligte und behinderte Jugendliche bräuchten gut ausgebildete und erfahrene Lehrkräfte – und nicht ständigen Personalwechsel oder billige Arbeitskräfte, die sich noch auf einen zweiten oder dritten Job konzentrieren müssen.
Die Berufsbildungswerke hoffen nun, dass endlich Einsicht einkehrt in den Agenturen für Arbeit und bei der Politik. Und zwar bevor die Strukturen der Weiterbildungsträger vollkommen zerstört seien. Sie appellieren vor allem, dass die Arbeitsagenturen als Auftraggeber bei ihren Ausschreibungen mehr auf die Qualität der Bildungsträger achten, und nicht nur auf die nackten Zahlen.
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