Natürliches Gewebe statt Silikon

Etwa jede zweite betroffene Frau möchte nach der Krebstherapie eine Brustrekonstruktion, die von den Krankenkassen bezahlt wird. Am Uni-Klinikum Bonn hat man gute Erfahrungen mit dem natürlichen Wiederaufbau amputierter Brüste gesammelt

aus BONNHOLGER ELFES

Brustentfernung! Für Sylvia E. bricht die Welt zusammen. Hilfe findet sie am Bonner Brust-Zentrum, einer Kooperation des Universitätsklinikums und des Marienhospitals. Denn das Bonner Klinikum deckt als erste deutsche Uniklinik gemeinsam mit einem privat niedergelassenen Plastischen Chirurgen eine häufige Versorgungslücke. „Das ist das richtige Konzept. Eine Brustrekonstruktion – integriert in eine interdisziplinäre Krebstherapie – sollte von einem Profi gemacht werden“, sagt Professor Walther Kuhn, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Uniklinik. So kümmert sich dort neuerdings der Bonner Privatdozent Klaus-Jürgen Walgenbach um betroffene Frauen.

Vor etwa vier Jahren musste sich Sylvia E. das erste Mal der Diagnose Brustkrebs stellen. „Trotz Entfernung der Knoten und Strahlentherapie zweifelte ich damals, ob auch wirklich alles weg ist“, sagt die 32jährige Mutter von zwei Kindern. Und der befürchtete Rückfall kam. Diesmal wendet sich die Eitorferin an die Frauenklinik des Universitätsklinikums Bonn. Dort berät und untersucht ein interdisziplinäres Ärzteteam aus Gynäkologen, Onkologen, Radiologen, Pathologen und Psychosomatikern sie eingehend.

„Wenn möglich operieren wir mit modernsten Operationstechniken brusterhaltend. Doch bei großen oder mehreren Karzinomen ist eine Brustentfernung die einzige Heilungschance“, erklärt Professor Kuhn. Eine Brustamputation bringt jedoch für betroffene Frauen viele psychische Probleme wie ein vermindertes Selbstwertgefühl mit sich. „Ich wollte meine Brust nicht verlieren und hatte große Angst, nicht damit klar zu kommen. Es war eine Entscheidung für meine Familie“, sagt Sylvia E.

Etwa jede zweite betroffene Frau möchte nach der abgeschlossenen Krebstherapie eine Brustrekonstruktion. Allerdings sollte die auch von den Krankenkassen bezahlt werden. Diese Patientinnen begleitet und berät der in der Bonner Innenstadt niedergelassene Plastische Chirurg in seiner Sprechstunde in der Klinik auf dem Venusberg. „Im Vordergrund steht natürlich zunächst die onkologische Behandlung. Aber die Aussicht auf einen Brustersatz hilft ihnen, die Erkrankung und den Verlust der Brust besser zu verarbeiten“, sagt Walgenbach. So war dieser Gedanke auch für Sylvia E. – nach der Operation und in der Zeit der Chemotherapie – der Rettungsanker: „Zusätzlich half mir die liebevolle Behandlung seitens der Ärzte und Klinikpersonal. Ich konnte mich selber nicht mehr leiden und anschauen. Ich weiß nicht, wie es ohne eine Brustrekonstruktion weitergegangen wäre.“

Häufigster Brustersatz in Deutschland sind einfache Implantate aus Silikon. Doch diese wirken nicht natürlich und die andere Brust muss meist operativ angepasst werden. Der Bonner Privatdozent favorisiert daher eine Rekonstruktion der Brust aus Eigengewebe: „Das Bauchgewebe ist dem Brustgewebe am ähnlichsten.“

Walgenbach, der auch Gastprofessor an der University of Pittsburgh ist, sammelte damit während seiner mehrjährigen Tätigkeit in den USA sehr gute Erfahrungen. Unterhalb des Bauchnabels entnimmt der Plastische Chirurg einen spindelförmigen Lappen aus Haut und Fettgewebe. Um eine lückenlose Blutversorgung zu sichern, bleiben bei der speziellen Operationstechnik einige Blutbahnen des Transplantats ungetrennt. Aus diesem formt Walgenbach in mehreren Schritten individuell die neue Brust. Den Abschluss der Operation bildet die Rekonstruktion der Brustwarze, die aus Brusthaut modelliert und anschließend tätowiert wird. „Bei allen Möglichkeiten, die wir heute in der Plastischen Chirurgie haben, kann natürlich niemand eine natürliche Brust exakt wieder herstellen.“ sagt Walgenbach. Sylvia E. ist sehr zufrieden mit dem Resultat, auch wenn es nicht mehr ganz so ist wie früher: „Nach dem Sieg über den Krebs gaben mir die Ärzte der Universitäts-Frauenklinik mit der Brustrekonstruktion ein zweites Mal das Leben zurück.“