Die verlorene Ehre der SWD

Gaspreiserhöhungen beschäftigen die Justiz: Da gibt’s Verbraucher-Sammelklagen. Und Anzeigen der Energie-Lieferanten. Von den Stadtwerken Delmenhorst zum Beispiel. Die fühlen sich beleidigt

von Benno Schirrmeister

Wehe! Es gilt, Schlimmes zu verhindern. Die Ehre der Stadtwerke Delmenhorst steht auf dem Spiel. Sie ist sogar verloren, oder doch so schwer beschädigt, dass sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg nun um Wiederherstellung bemüht. Die Rede ist von einem Flugblatt, das die lokale Initiative Bürgerforum verfasst hat. Die tritt laut Web-Site www.buergerforum-neuewege.de.vu für „mehr Demokratie in Delmenhorst, im Land, der Republik, der EU, auf unserer Erde“ ein. Momentan aber – Ursache des Konflikts mit dem Betrieb des niedersächsischen Mittelzentrums – kämpft sie gegen die Gaspreiserhöhung.

Allein ist sie damit freilich nicht: Eine Sammelklage hat die Hamburger Verbraucherzentrale angekündigt, die in Bremen auch. Das niedersächsische Landeskartellamt ermittelt noch in vier Beschwerde-Fällen, nachdem es 12 von 16 Verfahren eingestellt hat: Fünf davon, weil die Gas-Anbieter auf die für April angekündigten Aufschläge verzichten. Vergangene Woche schaltete sich zudem EU-Energiekommissar Andries Piebalgs in die Debatte ein: Er wertete die Preisanstiege als Indiz dafür, dass der Markt nicht funktioniert, und stellte ein Ultimatum: Einigung binnen zwei Monaten – sonst geht’s vor Gericht.

Aber zurück in die Provinz: Nach eigener Darstellung hat es bei den SWD keine kartellrechtlichen Beanstandungen geben. Und die Bürgerinitiative bereitet auch keine Sammelklage vor: „Dieser Weg schien uns weniger attraktiv“, so deren Sprecherin Eva Sassen. Stattdessen setzt man auf Widerspruch und versucht per Diskussion zur Einigung zu kommen. So auch bei einer Veranstaltung am 3. März, auf die per Flugblatt hingewiesen wurde. Eine Einladung, ausdrücklich an die breite Öffentlichkeit, Ratsmitglieder und Geschäftsführung der Stadtwerke gerichtet. Allein, die Fronten haben sich offenbar verhärtet: Jedenfalls hat SWD-Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen nach dem Treffen einen Antrag auf Strafverfolgung gestellt – wegen Beleidigung. Nicht seiner selbst. Sondern der Stadtwerke.

Um beleidigt zu sein, muss man Ehre haben. Nicht jeder weiß, dass auch Stadtwerke so ihre Ehre haben. Das ist aber der Fall, folgt man dem maßgeblichen Strafrechtskommentar von Adolf Schönke und Horst Schröder. Es bestehe „kein Anlass“ heißt es dort, die „Beleidigungsfähigkeit auf öffentliche Institutionen zu beschränken“, gerade weil viele öffentliche Aufgaben – man denke nur an die ehrenvolle Abwasserentsorgung – mittlerweile von Privatrechtsorganisationen wahrgenommen werden.

Bitterlich gekränkt wurden die Stadtwerke Delmenhorst nach Rechtsauffassung ihres Geschäftsführers durch die Einladung zu der Veranstaltung, die er gleichwohl besuchte. Sie formuliert die Frage „Gaspreiserhöhung?“ Und beantwortet sie mit einem entschiedenen: „So nicht!“ Zugleich zeigt das Flugblatt einen ordentlich gekleideten Arm, auf dessen Sakko der Schriftzug SWD prangt. Und einen weniger schick angezogenen Rücken: In der Gesäßtasche der knuddeligen Hose steckt ein Geldbündel. Zwischen dem eleganten Arm und den Banknoten scheint eine Beziehung zu bestehen: Eine des Gebens? Eine des Nehmens? Selbst der Herr Salmen will sich dazu momentan nicht äußern. Nur dass seiner Ansicht nach das Bild die Stadtwerke Delmenhorst gekränkt hat, steht fest. „Sagen Sie uns Ihre Meinung“, fordert derweil die Homepage des Unternehmens die Kunden auf. Davor sei an dieser Stelle nachdrücklich gewarnt.