KIRSTEN FUCHS über KLEIDER: Gefällt Männern!
Mit meiner Schwester, der „Brigitte“ und jeder Menge zackiger Ratschläge in der Sauna
Jeden Dienstag gehe ich mit meiner Schwester in die Sauna und jeden Dienstag macht sich meine Schwester über mich lustig, wenn ich mich auf den Haufen Frauenzeitschriften aus dem „Lesezirkel“ stürze.
„Ich muss recherchieren“, sage ich zu ihr. „Ich muss die neuen Modetrends wissen, versteh doch mal!“ – „Jaja, versteh schon!“, sagt sie dann. In der Schwitzekammer plappern wir, bis die Eieruhr an der Holzvertäfelung anzeigt, dass wir gar sind, dann schrecken wir uns wie die gekochten Eier unter dem kalten Wasser ab und könnten jetzt besser gepellt werden.
In den Ruhephasen schläft meine Schwester immer ein und ich recherchiere. Ich zappe durch die Seiten: bunt, Prominenz, Klamotten. Irgendwann bleibe ich irgendwo hängen. In der Brigitte gibt es die ultimativen Klamotten-Tricks, um gut auszusehen. Nicht, dass ich das bräuchte oder dass mich das interessiert … aber für die Recherche! Die Tricks waren natürlich nicht so simpel wie: „Tragen sie um Himmels Willen keinen Gürtel über der Brust, das verwischt ihre weiblichen Proportionen.“
Die Tricks waren vielleicht sogar ganz gut, aber in einem erschreckend zackigen Tonfall formuliert. Sie waren unterteilt und „Don’t“ und „Do“. Das klingt eben hipper als „Nö“ und „Supi“ und trotzdem nicht so gemein wie „Hässlich“ und „Gefällt Männern“. „Nö“ war jedenfalls alles, was weibliche Vorzüge nicht betont: bunte Strumpfhosen, allzu bequeme Hosen, sogar die so beliebten Flipflops (weil sie die Schenkel nicht optisch strecken und „uns“ nicht schlanker wirken lassen. Ist „uns“ das nicht manchmal völlig pupdiewurst, oder was?)
„Supi“ waren dann solche Ablenkungsmanöver und Schummeleien wie z. B. durch filigrane Ketten mit verspielten Anhängern einen Busen nicht zu wuchtig wirken zu lassen. Ich dachte an meine ehemalige Biolehrerin, die genau diese verspielten filigranen Mätzchen im Dekolletee ausgestellt hatte und damit aussah wie eine Weihnachtskuh mit Euter-Lametta. Kühe sind ohne Frage wundervoll, aber am schönsten sehen sie doch mit wenig Schmuck aus. Es reicht doch, dass Kühe immer Ohrringe tragen. Frau Deiß, die ich jetzt mal aus Personenschutzgründen so nenne, und die in Wahrheit Frau Hoffmann hieß, war jedenfalls an und für sich die schönste Biolehrerin, die ich je hatte. Als Biolehrerin hätte sie aber auch wissen können, dass Kühe und Frauen einfach sowieso schön sind und auch wichtig, sie geben Milch. Offenbar hatte Frau Deiß aber irgendwann eine Brigitte-ähnliche Zeitschrift durchgeblättert und sich dann den wuchtigen Busen zugeklimpert. Naja.
Meine Schwester schlief immer noch und ich las deshalb, dass es besser für „uns“ wäre, Slips zu bevorzugen, die den ganzen Po bedecken und darum keine Bindegewebsschwächen unter der Hose durchdellen ließen. Kann ja sein, dass ich auf diese Tricks auch mal angewiesen bin, noch geht es ja ohne Miederslip, aber wieso verstecken denn alle Frauen etwas, was alle Frauen haben? Unter der Rubrik „Do“ tauchte immer wieder die Formulierung auf, dass etwas größer, schlanker, kleiner „wirke“. Ja, aber eben nicht IST.
In der Sauna helfen keine Tricks. Ich kann einmal in der Woche sehen, was die deutsche Frau nicht ganz weggeschummelt bekommt: Körper sind wilde Landschaften voller Gräben, kleineren Erhebungen, größeren unsymmetrischen Bergen, Schlaglöchern und weichen morastigen Gebieten. Das klingt doch geheimnisvoll. Bei Landschaften hat keiner was gegen Abenteuer, aber Frauen sollen mit ihren Klamottentricks so tun, als wären sie ein schnieker Golfplatz – laaaaangweilig!
Meine Schwester wachte auf, und ich sagte ihr, dass ihr Bademantel ihre Knie schön umspielte, sie aber lieber Badelatschen mit Hacken tragen solle. „Wieso?“, fragte die Gute träge. „Ist doch ’ne Frauensauna! Wofür der Aufriss?“ Sie hat oft Recht, auch als sie sagte: „Du wirst immer so komisch, wenn du dir diese Zeitschriften zu Gemüte führst.“
Sie zog ihren Bademantel aus, und ihre Brüste schielten in die Gegend. „Komm schwitzen, Gerippe!“, sagte sie zu mir.
Fragen zur Figur? kolumne@taz.de Dienstag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA
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