Die Bedürfnisse der Opfer achten

AUSBEUTUNG Das Institut für Menschenrechte hat die Lage von Opfern von Menschenhandel untersucht. Die wenigsten bekommen Entschädigung

Beratung und Unterstützung ist notwendig. Dies wollen die beiden Institutionen anschieben

VON KARIN SCHÄDLER

Das Deutsche Institut für Menschenrechte setzt sich für eine angemessene Entschädigung der Opfer von Menschenhandel und Zwangsarbeit in Deutschland ein. „Die strafrechtliche Verfolgung der Täter allein genügt nicht“, sagt Martin Salm, Vorsitzender der Stiftung für Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die das Projekt finanziert.

Gemeinsam mit dem Institut hat die Stiftung die Situation von Opfern von Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution in Deutschland untersucht. Diese werden danach vor allem als Zeugen gegen die Täter gehört. Um ihre eigenen Bedürfnisse kümmert sich meist niemand. In ganz wenigen Einzelfällen sei es Betroffenen gelungen, in Deutschland ihre Rechte einzuklagen, sagt Petra Follmar-Otto vom Institut für Menschenrechte. „In diesen Fällen hatten die Betroffenen Hilfe von Nichtregierungsorganisationen.“ Auch wenn eine Entschädigung einklagt wird, sei diese meist „viel zu niedrig“. Das zeige, dass ein Beratungs- und Unterstützungssystem notwendig sei. Eine solche Beratung wollen die beiden Institutionen nun anschieben.

Zudem müsse das Aufenthaltsrecht daraufhin geprüft werden, wo es Ausbeutungssituationen ermögliche, sagt Follmar-Otto. Bei vielen gering Qualifizierten sei der Aufenthaltsstatus an eine ganz bestimmte Tätigkeit geknüpft. Darum sei Missbrauch durch den Arbeitsgeber hier leichter. „Im Bereich Hochqualifizierung haben wir dagegen eine freie Arbeitsmigration“, sagt Follmar-Otto.

Über zwölf Millionen Menschen werden nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation weltweit unter Freiheitsentzug, Drohungen und oftmals auch unmittelbarer Gewaltanwendung zur Arbeit gezwungen. Das betrifft laut Studie nicht Zwangsprostituierte, sondern auch Arbeitsmigranten wie Haushaltshilfen.

Doch nicht jede illegal beschäftigte Haushaltshilfe aus Osteuropa sei ein Opfer von Menschenhandel, so die Autoren der Studie. Das gelte nur, wenn „Zwang und Täuschung“ hinzukommen, sagt Follmar-Otto. „Zum Beispiel, wenn eine Frau über die Art der Arbeit oder die Bedingungen getäuscht wurde oder ihr mit einer Anzeige gedroht wird, falls sie dies oder jenes nicht tut.“

Betroffene von Menschenhandel, die in Deutschland in Prostitution oder Zwangsarbeit landen, kommen zu einem überwiegenden Teil aus Mittel- und Osteuropa und zunehmend auch noch weiter östlichen ehemaligen Sowjetrepubliken. Typische Herkunftsländer werden teilweise auch zu Zielländern. So gibt es auch in Osteuropa Zwangsprostituierte aus Ländern, die noch weiter östlich liegen. Betroffene von Menschenhandel stammen auch aus Lateinamerika, Südostasien und Afrika. „Trotz dem Fokus auf Osteuropa sind diese Länder immer noch relevant“, sagt Follmar-Otto.

Menschenhandel, so zeigt die Studie, ist nach wie vor überwiegend Frauen- und Mädchenhandel. Allerdings würde durch diese Feststellung oft nicht beachtet, dass die Betroffenen auf mehrfache Art diskriminiert würden.

Opfer von Menschenhandel werden als Zeugen gehört. Um ihre Bedürfnisse kümmert sich niemand

Wie häufig es Zwangsprostitution und Arbeitsausbeutung in Deutschland gibt, lasse sich sehr schwer sagen. „Die Opferzahlen sagen mehr aus über die angesetzten Ermittlungsressourcen der Polizei als das Ausmaß des Problems“, sagt Follmar-Otto. Die Zahlen würden nur die Fälle widerspiegeln, die aufgedeckt werden. Und das hänge von den Ermittlungsbehörden ab.

Zu Recht, so die Studie, befürchten Arbeitsmigranten ohne Arbeitsgenehmigung den Kontakt mit staatlichen Behörden. Der illegale Aufenthalt der Betroffenen dürfe daher nicht im Vordergrund stehen. Auch müsse die Prävention in den Herkunftsländern eine Rolle spielen.

Beraten werden sollen auch Opfer von „Ehehandel“, also Menschen, die migrieren wollen, den Weg der Heirat wählen und dann in Deutschland von ihren Ehepartnern unter Druck gesetzt werden. Mit denjenigen, die den Handel organisieren, sei zum Beispiel vereinbart, dass der illegal eingereiste Ehepartner einfach bei der Ausländerbehörde angezeigt werden soll, falls er nicht mehr gewollt ist.