Wenn der Gerichtsvollzieher nichts findet

Nach dem Urteil des Düsseldorfer Sozialgerichts ringen Ärzte, Kassen und Politik um neue Wege, die Praxisgebühr einzutreiben. Als denkbares Modell gilt die Regelung der Zahnärzte. Problem: Bei einigen Patienten ist einfach nichts zu holen

VON CHRISTIAN RATH

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) wollen bis auf weiteres die Praxisgebühr von säumigen Zahlern nicht mehr einklagen, da ihnen das Verfahren zu teuer ist. Sie setzen jetzt auf Verhandlungen mit den Krankenkassen, damit diese das Inkasso übernehmen.

Ein endgültiger Verzicht auf ausstehende Praxisgebühren ist damit aber nicht verbunden. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagte Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Nur die KV Berlin hat schon seit längerem sogar die Mahnverfahren eingestellt. Nach Ostern wollen die KVs eine einheitliche Linie finden.

Das jüngste Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, wonach die KVs die Kosten von Mahn- und Gerichtsverfahren selbst tragen müssen, kam allerdings nicht überraschend. Die Rechtslage ist völlig klar – der Prozess bot nur einen Anlass, die Öffentlichkeit auf die seltsame Situation hinzuweisen: Um zehn Euro Praxisgebühr einzuklagen, fallen für die KVs selbst dann 150 Euro Gerichtskosten an, wenn sie den Prozess gewinnen. Außerdem müssen die Kassenärzte die Mahn- und Portokosten übernehmen. KBV-Sprecher Stahl hält dies für „absurd, denn das Geld fehlt ja dann für die ärztliche Versorgung“.

Sinnvoller ist nach Ansicht der KBV das Modell, das bei Zahnärzten gilt. Dort muss der Patient zwar auch die Gebühr zahlen. Bleibt er den Betrag jedoch schuldig, muss die Krankenkasse das Geld eintreiben. Sie kann dazu einen Verwaltungsakt erlassen und muss nicht erst vor Gericht prozessieren. Bei diesem Verfahren werden die Inkasso-Kosten also nicht auf die Krankenkassen verlagert, sie fallen großteils erst gar nicht an. Warum gilt aber bei den Zahnärzten etwas anderes als bei den sonstigen Ärzten?

Die Zuständigkeit der KVs ist im Bundesmantelvertrag zwischen Krankenkassen und Kassenärzten geregelt. Doch dieser umstrittene Vertrag ist laut Stahl nur durch einen Schiedsspruch zustande gekommen, der für beide Seiten verbindlich war. Auch bei den Zahnärzten habe es einen Schiedsspruch gegeben, „der war aber vernünftiger“, so der KBV-Sprecher.

Die KBV hat den ungeliebten Bundesmantelvertrag Ende letzten Jahres gekündigt. Jetzt wird neu verhandelt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gab gestern bekannt, ihr Haus werde bei den Verhandlungen eine „Moderatorenrolle“ einnehmen. Ein Anreiz, die Praxisgebühr einfach nicht mehr zu bezahlen, besteht deshalb also nicht. Denn früher oder später werden sich Kassen, Ärzte und Politik auf ein Verfahren einigen.

Bei einem Teil der säumigen Zahler kann die Gebühr allerdings wohl generell nicht kassiert werden. Wenn der Gerichtsvollzieher nichts zu pfänden findet, muss er unverrichteter Dinge gehen. Dies spricht für die Idee, die Praxisgebühr für Sozialhilfe- und Alg-II-Empfänger ganz zu streichen. Dann würde die Gefahr sinken, dass Arme erst mit der Lungenentzündung zum Arzt gehen, weil sie sich die Bronchitis-Behandlung nicht leisten können oder wollen. Diese Reform wäre allerdings eine Aufgabe für den Gesetzgeber.