: Anbiedern 2.0
Die eigene Zielgruppe regt sich über den neuen Vodafone-Spot auf – der kostete Millionen
Sieht sich so die Internetgemeinde? Im neuen Vodafone-Werbespot treten hippe Menschen auf: der Basejumper mit Handykamera, der YouTube-Preis-Gewinner, die bloggende Mutter, die Web-begeisterte Oma. Dazu ertönt David Bowies „We can be heroes“, eine Einblendung verkündet: „Es ist Deine Zeit“. Der Konzern – der gerade seine Festnetzmarke Arcor mit der Mobilfunksparte verbandelt hat – will sich mit der Kampagne einer neuen Zielgruppe nähern: der „Generation Upload“, jenen Menschen, die eigene Inhalte ins Netz hochladen. Dafür bespielt Vodafone seine Botschaft auf allen Social-Media-Kanälen von Facebook bis Twitter und in Blogs.
Aber irgendwie kommt die – laut Schätzungen einen zweistelligen Millionenbetrag teure – Kampagne beim Adressaten nicht an: In Blogs, bei Twitter und Facebook hagelt es Kritik. Ralf Schwartz, Werbeveteran, sieht in dem Anbiederungsversuch ans Web 2.0 ein Desaster: „Bei Vodafone wird nicht mal mehr mit Wasser gekocht, sondern nur noch mit heißer Luft!“ Ein überlebensgroßer Authentizitäts-Knall könne sein, die Kampagne einfach einzustampfen. „Das hört sich natürlich für den seriösen Marketer wie absoluter Schwachsinn an. Tatsächlich aber wäre es die einzig adäquate Reaktion auf die Geschehnisse der letzten Tage.“ Wenig hilfreich ist wohl, dass Vodafone keine neuen Produkte für den Internet-affinen Nutzer bietet. Ein Programm für Facebook, Twitter und MySpace, wie es sie schon zu Dutzenden gibt, steht als kostenloser Download bereit – das war’s. Für das iPhone kann Vodafone keine „App“ anbieten, dessen exklusive Rechte liegen in Deutschland nach wie vor bei T-Mobile.
Johannes Kleske, Internet-Stratege und Twitterer, fragt sich in seinem Blog, wie die Pressekonferenz zur Kampagnenvorstellung, die Vodafone via Facebook ins Netz stellte, hätte aussehen können. „Wir haben verstanden, dass Sie immer und überall ohne Einschränkungen im Web aktiv sein wollen“, lässt er einen imaginären Vodafone-Boss in seiner Traumvorstellung sagen, „deswegen handelt es sich bei unserem neuen Tarif um eine echte Flatrate. Keine Drosselung bei fünf Gigabyte im Monat. Instant Messaging und VoIP sind selbstverständlich erlaubt.“
Sascha Lobo ist peinlich
Genau das nämlich interessiert die „Generation Online“: Aktuell bietet kein deutscher Mobilfunkanbieter mehr als fünf Gigabyte Datenverkehr im Monat mit voller Geschwindigkeit in seinen „Pauschaltarifen“ an – das entspricht keinen zwei hochauflösenden Filmen bei iTunes. Auch die Internet-Telefonie und Instant-Messaging sind offiziell verboten: Sie bedrohen die Cashcows Sprachkommunikation und Textnachrichten.
Blogger Robert Basic, der im Vodafone-Spot zusammen mit deutschen Internet-Größen wie Sascha Lobo auftritt, findet es grundsätzlich gut, dass „die ‚Randgruppe‘ Blogger und Twitterer weiter akzeptiert“ wird. Zudem habe Vodafone ordentlich bezahlt. Doch auch Basic sieht ähnliche Probleme wie Kritiker Kleske: „Statt der Werbung zählt für mich das Produktportfolio, die Preise, die Qualität der Angebote, der Service, die Zugänglichkeit des Unternehmens dem Markt gegenüber.“
Im Vodafone-Weblog gibt sich der Konzern unterdessen zahm: „Wenn wir wirklich der Partner der ‚Generation Upload‘ werden wollen, müssen wir Werkzeuge in Form von Tarifen und Hardware zur Verfügung stellen“, heißt es dort. BEN SCHWAN
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