Parasitäre Stillleben mit Fischstäbchen

Kunst gehört auch in die großen Möbelhäuser. Ruppe Koselleck sieht sich als Bodenbetrachter und kennt sich nach einer bundesweiten Tour mittlerweile bei Ikea bestens aus

Ruppe Koselleck heftet einen Geldschein an eine Wand. Er sitzt an einem Schreibtisch in einem Wohnabteil von Ikea-Bremen und hantiert an der Dekoration. Die anderen Besucher merken nichts – obwohl es etwas länger dauert, bis der Geldschein an der Wand hängt. Fertig! Er macht ein Foto und geht weiter.

Koselleck bezeichnet sich selbst als Bodenbetrachter und Konzeptkünstler. Mit seinen Projekten will der gebürtige Heidelberger die Oberfläche der Massen durchbrechen. So deklariert er in seiner Arbeit „Finderlohn“ das absichtsvolle Verlieren von Geldscheinen als Kunst oder plant aus „ästhetischen Gründen“ die feindliche Übernahme des Mineralölkonzerns BP.

In den vergangenen Wochen hat Koselleck seine Arbeiten mitten in der Ikea-Dekoration untergebracht. Ohne Absprache mit dem Unternehmen. In Norddeutschland hat er in den Filialen Hamburg, Bremen und Kiel Postkarten an Pinnwände geheftet, Fotos in Bilderrahmen eingefügt und die Möbelhäuser mit anderen ausgefallenen Kleinobjekten verziert. Jetzt stehen seine Familienbilder aus alltäglichen und teilweise skurrilen Lebenssituationen den Fotos mit stereotypen schwedischen Gesichtern entgegen: Ruppe Koselleck bei seiner Arbeit im Garten, Ruppe Koselleck mit seinen Kindern auf dem Sofa, ein Stillleben von Fischstäbchen. „Parasitäre Publikationen“ nennt Koselleck das Konzept. Aber warum Ikea? „Ikea ist die größte Ausstellung Europas“, begründet der Freund-Feind der Pop-Art die Ortswahl.

Manchmal wird der Künstler entdeckt. Einmal hat ein Kind ihn bei seiner Aktion beobachtet und seine Eltern herbeigerufen: „Schaut mal was der Mann da macht!“ Koselleck stört das nicht: „Diese Erheiterungssituationen dürfen und sollen auch vorkommen“. Aber um das Auffallen geht es ihm nicht. „Die Tiefe der Aktion liegt im Widerspruch und in der Gegenüberstellung von Individuum und Masse.“

Unter dem Titel „knallhart kreativ“ wird die Fotodokumentation der Ikea-Aktion derzeit in Kiel gezeigt. Und wie reagiert der schwedische Möbelhersteller auf Kosellecks Umtriebe? „Davon haben wir noch gar nichts mitgekriegt“, gesteht Ikea-Sprecher Kai Hartmann. Melanie do Vale

„Knallhart kreativ“, Umtrieb-Galerie, Lutherstr. 26, Kiel, Di-Fr. 16-20 Uhr Sa. 11-15 Uhr, Bis 23. AprilInfos: www.koselleck.de