keine wurst auf dem propellerberg von EUGEN EGNER
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Der Sonntagnachmittag gehört der Umrundung des Propellerbergs. Vom Ausgangspunkt ausgehend, beginnen wir damit: Runde um Runde. Früher oder später müssen wir, von der anderen Seite her, wieder an diesen Punkt zurückkehren. So will es die Natur. Im Grunde befinden wir uns von Anfang an auf dem Rückweg, und das gibt uns Mut und Kraft zum Weitergehen. Die Umrundung entpuppt sich dann aber als die reinste Besteigung. In Spiralwindungen steigen wir immer höher!

Diese Erkenntnis presst uns unterdrückte, dumpfe Aufschreie ab, wieder und wieder schlagen wir uns, ein jeder sich selbst, mit den Fäusten an die Stirnen. Hoch über uns gewahren wir den gigantischen Propeller, der dem Berg seinen Namen gibt (Namensgebungspropeller). Wer hat ihn hier so hoch, so stolz aufgestellt? Das fragen wir uns, eine Antwort darauf haben wir nicht. Der Propeller dreht sich langsam und erzeugt damit einen Lärm, dass der ganze Wald in Gefahr gerät. Im Namen der Bäume schütteln wir unsere Fäuste und drohen zum Propeller empor. Völlig unbeeindruckt steht er da und lärmt weiter. Der Himmel, der ihm dabei als Hintergrund dient, heißt „Propellerhimmel“.

Um den Gipfel schart sich eine unerwartet große Menschenmenge. Zahllose Frauen, Männer und Kinder in Winterkleidung (es ist inzwischen Winter geworden) sitzen auf Bänken, andere drängen sich um eine festspielzeltartige Andenkenbude. Wir hoffen, dort etwas zu essen zu bekommen, denn die Anstrengung des Rückwegs, der ja ein verkappter Abstieg ist, liegt noch vor uns. Doch obwohl die Leute ringsum sich gesottene Würste einverleiben, können wir beim besten Willen nicht herausbekommen, woher sie diese haben. Niemand versteht unsere Fragen und Gebärden. An der Andenkenbude heißt es immer wieder, ja, die Vorstellung fange gleich an. Wir vermuten, dass es Wurst nur in Verbindung mit Eintrittskarten zur Vorstellung gibt, und lösen welche. Ein Irrtum, wie sich herausstellt.

Ohne Wurst werden wir vom Kassierer in den dunklen, kalten Raum hinter der Kasse gestoßen. Im selben Augenblick fliegt eine Klappe in der Wand auf und die so genannte Vorstellung beginnt. Wir sehen ein alpenartiges Miniaturpanorama, vor dem ein paar an Bindfäden hängende Lumpenpuppen mittels einer Kurbel erbarmungslos im Kreis herumgeschleudert werden. Ehe wir noch richtig begriffen haben, was los ist, knallt die Luke wieder zu. „Feierabend! Raus!“ ruft eine rohe Stimme. Sie gehört dem Kassierer, der hereinstürmt, um uns aus dem Zelt zu scheuchen. In der nächsten Sekunde finden wir uns blinzelnd unter den vielen Menschen wieder, die den Gipfel des Propellerbergs umlagern. Sie scheinen schadenfroh zu grinsen, und noch immer verraten sie uns nicht, woher sie die Würste haben. In gerechtem Zorn schütteln wir die Fäuste gegen sie und den Kassierer, bis uns schwindelt.

Verbittert und hungrig beginnen wir sodann den Rückweg, der gottlob auch ein Abstieg ist. Dazu lärmt der Propeller wie verrückt. Solange wir in seinem Einflussbereich sind, haben wir Angst, es könne uns jeden Augenblick so ergehen wie den Lumpenpuppen im Zelt.

Scheiß Propellerberg!