Rot-Grün verhindert Solarpark im Saarland

Sonnenenergieanlage der Shell AG kann nicht gebaut werden, weil SPD-Gemeindevertreter dagegen stimmen. Auch der Umweltverband BUND lehnt das Projekt ab. Damit hängen 2.500 Haushalte weiter am AKW-Strom aus Frankreich

KLEINBLITTERSDORF taz ■ Der Kleinblittersdorfer Bürgermeister Stephan Strichertz (44) kann es immer noch nicht fassen. Mit einem Patt von 16 zu 16 Stimmen haben die 32 anwesenden Gemeindevertreter die Aufstellung des Bebauungsplanes „Solarpark“ für eine rund 40 Hektar große Ackerfläche abgelehnt. Und damit auch auf eine Investition von knapp 40 Millionen Euro verzichtet. Die nämlich wollte die Shell Solar AG für den Bau einer der größten Fotovoltaikanlagen der Welt ausgerechnet im armen, aber sonnigen Saarland ausgeben.

Schon ab Mitte 2006 sollte das Solarkraftwerk im Jahr rund 8,5 Megawatt Strom produzieren und 2.500 Haushalte in der Verbandsgemeinde an der Grenze zu Frankreich mit sauberer Energie versorgen. Ganz Kleinblittersdorf mit 13.000 Einwohnern bezieht seinen Strom aktuell noch aus dem störanfälligen Atomkraftwerk Cattenom im französischen Lothringen. Strichertz wollte raus aus dieser Abhängigkeit – und „rein in das Solarzeitalter“.

Und jetzt dieses „Desaster“. Nun sucht die Shell Solar AG in Frankreich nach Flächen für ihren Solarpark. Und ausgerechnet die Atomausstiegs- und Solarenergieparteien SPD und Bündnisgrüne stehen vor einem politischen Scherbenhaufen. Verkehrte Welt: Der vom Nutzen der Solarenergie überzeuge Bürgermeister ist Christdemokrat. Gegen das Projekt stimmten geschlossen die 14 Gemeindevertreter der SPD und zwei „Abweichler“ aus den Reihen der CDU.

Dabei hatte der Naturschutzbund (Nabu) in einem von der Shell AG in vollem Umfang akzeptierten ökologischen Maßnahmenkatalog die Rahmenbedingungen für das Projekt festgelegt. Die Gemeindevertreter, sagt Strichertz zu ihrer Ehrenrettung, hätten allerdings unter einem „unglaublichen Druck“ gestanden. Einem sei sogar Gewalt angedroht worden, falls er es wagen sollte, für das Projekt zu stimmen. Der betroffene Christdemokrat legte umgehend sein Mandat nieder. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft in Kleinblittersdorf. Und ein Riss geht seit der „Abstimmungskatastrophe“ (Strichertz) durch die Kommune. Insbesondere die Flugblätter der Bürgerinitiative „Gegenwind“ hätten „vieles aufgebauscht“ und die Bevölkerung in zwei Lager gespalten, heißt es im Rathaus. Das Hauptargument der Gegner: „Wertvolles Ackerland“ dürfe für den Bau einer solchen Anlage nicht vernichtet werden. Solaranlagen seien entweder auf Industriebrachen, auf Konversionsgelände oder auf Hausdächern zu errichten. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bezog – im Gegensatz zum Nabu – gleichfalls Frontstellung gegen das Projekt. Dass die „Bürger“ jetzt in Zusammenarbeit mit dem BUND den „Solarpark“ verhindern konnten, nannte der Landesvorsitzende des BUND, Joachim Götz, „gelebte Demokratie“. Auch die Grünen im Landtag hatten sich mit ähnlichen Argumenten wie der BUND gegen den Solarpark positioniert.

Im Gespräch über den Gartenzaun legen Bürger im schmucken Neubaugebiet des Ortsteils Bliesransbach ihre tieferen Gründe für ihre Resistenz gegen das Projekt offen. Von den „vielen Baufahrzeugen“ ist da die Rede, die einem über Monate hinweg „die Ruhe geraubt“ hätten, falls am Hartungshof weit außerhalb der bebauten Ortslage und außer Sichtweite der Solarpark realisiert worden wäre. Auch „Landschaftsverschandelung“ ist ein Punkt. „Da hätte ich ja gar nicht mehr mit meinem Hund spazieren gehen können, denn das wäre ja alles eingezäunt worden“, sagt ein Bürger hinter akkurat geschnittener Hecke.

In Rage bringt das alles den saarländischen Umweltminister Stefan Mörsdorf (parteilos). „Wenn selbst solche Projekte nicht mehr realisierbar sind, muss es einem angst und bange werden um den Standort Deutschland.“ Schuld daran sei vor allem der BUND, aber auch SPD und Grüne hätten „Stimmung gemacht“ gegen ein Projekt, für das sie selbst mit dem Gesetz zur Förderung regenerativer Energien die Rahmenbedingungen geschaffen hätten.

Kleinblittersdorf übrigens ist 1.225 Jahre alt und hängt seit 20 Jahren am Netz von Cattenom. Und daran, sagt Bürgermeister Strichertz beim Abschied leicht verbittert, wird sich wohl auch die nächsten 1.225 Jahre nichts ändern: „Danke, BUND, Grüne und Sozialdemokraten!“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT