Weitere Vorwürfe gegen US-Militärtribunal

Im Falle des Bremer Guantánamo-Häftlings soll entlastendes Material vom US-Gericht zurückgehalten worden sein

BREMEN taz/afp/dpa ■ Der Bremer Anwalt des Guantánamo-Gefangenen Murat Kurnaz fordert die Bundesregierung und die Türkei auf, „klar und deutlich“ die sofortige Freilassung seines Mandanten zu verlangen. Kurnaz wird seit drei Jahren auf dem US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt auf Kuba festgehalten – obwohl es keine Belege für seine Beteiligung an terroristischen Aktionen oder Beziehungen zu al-Qaida gibt. Dies bestätigt nun ein Bericht der Washington Post vom Sonntag mit Hinweis auf bislang geheime Dokumente.

Laut diesem Bericht hat ein zuständiges US-Militärtribunal entlastendes Material nicht berücksichtigt. Vielmehr habe das Tribunal sich in seiner Beweisaufnahme lediglich auf eine knappe, unbestätigte Notiz eines Regierungsbeamten gestützt. Darin wurde der heute 23-Jährige als Mitglied des Terrornetzwerks al-Qaida und als feindlicher Kämpfer eingestuft.

Das Pentagon wollte den Bericht nicht kommentieren. Ein Sprecher erklärte gegenüber der Zeitung lediglich: „Die Tribunale treffen ihre Entscheidung aufgrund der Beweise, die ihnen zu dem Zeitpunkt vorliegen.“

Im Lichte der jüngsten Erkenntnisse müsse „jegliche diplomatische Zurückhaltung aufgegeben werden“, fordert nun Kurnaz’ Bremer Anwalt Bernhard Docke. Die seit drei Jahren andauernde Internierung und Folterung von Kurnaz stelle einen „klaren Bruch internationalen wie amerikanischen Rechts“ dar. Docke hatte der Bush-Regierung bereits im September vorgeworfen, das Verfahren zu verschleppen. Die gegen seinen Mandanten vorgebrachten Beweise seien erschreckend schwach.

Bereits Anfang Februar hatte die US-Bundesrichterin Joyce Hens Green in einem Urteil darauf hingewiesen, dass im Fall Kurnaz Grundsätze eines fairen Verfahrens teils verletzt worden seien. Den Fall des 23-jährigen, in Bremen geborenen türkischen Staatsbürgers Kurnaz bezeichnete sie als einen der „beunruhigendsten“ Fälle militärischen Missbrauchs in den Verfahren gegen Guantánamo-Häftlinge.

Der Schiffbauer-Azubi Murat Kurnaz wurde nach eigenen Angaben Anfang 2002 während einer islamischen Missionsreise von Pakistan aus nach Afghanistan verschleppt, dort unter Anwendung von Folter verhört und dann nach Guantánamo verbracht. Eine vor wenigen Wochen überraschend von den Anwälten erwartete Freilassung Kurnaz’ in die Türkei war aus unbekannten Gründen geplatzt. EDE