Bayerns Metropole verstaubt

Die bayerische Landeshauptstadt München überschreitet zum 36. Mal den EU-Grenzwert für Luftverschmutzung. Jetzt drohen Sanktionen. Politik reagiert nervös. Umweltschützer klagen

BERLIN taz/dpa ■ Als erste deutsche Stadt hat München mehrfach die von der EU vorgegebene Obergrenze für die Luftverschmutzung durch Feinstaub überschritten und damit gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Am Sonntag wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm an der viel befahrenen Landshuter Allee bereits zum 36. Mal in diesem Jahr übertroffen, wie das Bayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU) gestern auf seiner Homepage mitteilte. Ab der 36. Überschreitung wird geltendes EU-Recht verletzt.

Wegen des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof reagierte die Politik nervös. Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) erklärte, Länder und Kommunen seien „im Zugzwang“. Michael Müller, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, warf Städten und Ländern vor, das Problem „verschleppt“ zu haben. Und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) macht gar eine Strategie aus: „Ich glaube, es gibt eine bestimmte Neigung bei Ländern und Gemeinden, die Umsetzung von EU-Recht nach hinten zu schieben.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wies diese Vorwürfe gestern zurück. Spitzenvertreter beschuldigten ihrerseits die Bundesländer. Geeignete Maßnahmen seien umfangreich vorgeschlagen worden, ihre Umsetzung allerdings werde von den Landesregierungen verhindert. „Ziemlich dreist“ nannte der bündnisgrüne Verkehrspolitiker Winfried Hermann diese Retourkutsche. „In aller Regel haben die Kommunen nichts unternommen, außer abzuwarten.“

In München erklärte die Deutsche Umwelthilfe gestern, noch in dieser Woche juristisch ein Fahrverbot erwirken zu wollen. Allerdings schätzt der Verwaltungsrechtler Eike Albrecht die Erfolgsaussichten des Vorhabens als gering ein: „Gerichte werden die Städte nur dazu verpflichten, geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte zu ergreifen. Fahrverbote stehen wegen der komplexen Rechtslage nicht oben auf der Prioritätenliste“, sagte Albrecht zur taz. Ähnlich urteilt auch das Bundesumweltministerium. Fahrverbote seien zwar rechtlich möglich, erklärte ein Sprecher. „Was sinnvoll ist, müssten allerdings die Städte entscheiden.“ Andere Steuerungselemente wie die Citymaut könnten auch zum Ziel führen.

NICK REIMER

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