Im Fokus steht der Mensch

Die Kölner Fotografin Christel Plöthner will mit ihrer Ausstellung „Bethlehem – Leben in einem besetzten Land“ Gegensätze aufzeigen. Am liebsten fotografiert sie Menschen – der Ruhe wegen

VON ISABEL FANNRICH

Ein palästinensischer Erbsenverkäufer mit Handy. Die israelische Mauer samt Wachturm, davor eine Reihe Kakteen, als hätten die Palästinenser sie zum Schutz vor den Israelis dort hingestellt. Und über allem das Licht, das morgens plötzlich da ist und abends schlagartig weg, als hätte jemand den Schalter bedient. Diese Gegensätze fängt die Fotografin Christel Plöthner in ihren Bildern ein. Im Auftrag der Stadt Köln, der einzigen Stadt bundesweit mit palästinensischer Partnerstadt, hat sie im Herbst 2004 das Alltagsleben in Bethlehem dokumentiert.

Die Gegensätze trägt sie aber auch in sich selbst. „Ich bin nicht anständig“, sagt Christel Plöthner, und das sagt sie mit einer solchen Ironie, dass jeder weiß, es ist halb ernst, halb im Spaß gemeint. Das „Unanständige“ hat der 54-jährigen Kölnerin beim beruflichen Erfolg geholfen –ganz früh, als sie gegen ihre Eltern opponierte, die sie zur Beamtin machen wollten.

Christel Plöthner ließ sich in Köln und München zur Fotografin ausbilden. Dann machte sie sieben Jahre lang Modefotografie, flog nach Haiti und knipste Unterhosen („Das war so pervers“). Später, als ihre Tochter zwei Jahre alt war, entschied sie sich, alleine zu erziehen. Dennoch unternahm sie häufig Reisen nach Osteuropa, um dort zu fotografieren.

Hemmungen überwinden

Als politische Fotografin sieht sie sich nicht. Obwohl sie politisch denkt. Mit ihrer aktuellen Ausstellung in der Kölner Stadtbibliothek will sie die Menschen für Palästina sensibilisieren und „rüberbringen, dass nicht alle dort Terroristen sind“. Vielleicht könne sie den einen oder anderen neugierig machen, dorthin zu fahren. Das Geld, das Plöthner mit ihren Bildern einnimmt, spendet sie für traumatisierte palästinenische Kinder. „Die sind für mich die Hoffnung“, sagt sie. Die meisten Aufnahmen hat die Dokumentaristin im Polen und in der DDR der 70er und 80er Jahre gemacht. Sie sind in Schwarz-Weiß fotografiert. Das sei viel spannender, ist Christel Plöthner überzeugt, denn der Betrachter könne in seiner Fantasie alle Farben hinein legen.

Im Fokus ihrer Arbeit steht meist der Mensch. „Dabei wird man ruhig“, sagt sie. „Ich bin nicht so jemand, der das Blut aus den Bildern laufen lassen muss.“ Warum bringt es Ruhe, Menschen zu fotografieren? „Beim Menschen muss ich ran. Ich muss meine eigene Hemmung überwinden und die des anderen – durch ein Gespräch.“

Brennpunkt Palästina

So entstanden nahe der tschechischen Grenze mehr als hundert Porträts von alten Handwerkern und Bauern, die Plöthner bei der Arbeit begleitet hat. Eine alte Bäuerin hat sie über zehn Jahre hinweg porträtiert. Das sei wie eine Zeitreise 20 Jahre zurück gewesen, erzählt sie und strahlt. „Diese Menschen waren so ruhig. Wenn die von alten Kriegs- und Schmuggelgeschichten erzählt haben – wie deren Augen dann gefunkelt haben.“ Als sie wiederkam, drückten sie ihr fünf Eier oder Tomaten in die Hand. „Dadurch bekamen Eier für mich eine andere Bedeutung“, sagt die Fotografin.

Aber Christel Plöthner ist auch anständig. Seit 23 Jahren unterrichtet sie als Lehrerin am Berufskolleg in der Kölner Südstadt. Den angehenden Fotografen kann sie nichts über digitale Fotografie erzählen, weil sie sich damit nicht auskennt. „Mit Argumenten muss man die Schüler packen und sie von der analogen Fotografie überzeugen“, lacht sie – „sie fertigmachen“. Sie schmunzelt.

Im Herbst will sie wieder nach Palästina fliegen und die Fotos machen, die sie beim letzten Mal nicht geschafft hat. Denn im kommenden Jahr gilt es, die zehnjährige Städtepartnerschaft mit Bethlehem zu dokumentieren. Da hält Christel Plöthner inne: „Bethlehem wird sehr von der christlichen Welt unterstützt.“ Auch wenn der Städtepartnerschaftsverein das vielleicht nicht gerne höre - sie würde gerne eine Geschichte über den Rest von Palästina machen. Dort sei es „viel krasser“. Da blitzt es für einen Moment wieder auf, das Unanständige.

„Bethlehem – Leben in einem besetzten Land“, Stadtbibliothek Köln, Josef-Haubrich-Hof 1, Eröffnung: heute, 19 Uhr. Bis 30. April, Di, Do 10 bis 20 Uhr, Mi, Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 15 Uhr