Siemens hat Geld übrig

Während Bocholter Siemens-Arbeiter Kürzungen hinnehmen mussten, kauft der Konzern vor Ort ein

BOCHOLT dpa/taz ■ Siemens übernimmt für 1,2 Milliarden Euro den Bocholter Getriebespezialisten Flender. Durch die Akquisition solle das Geschäft mit der industriellen Antriebstechnik gestärkt werden, teilte Siemens gestern in München mit. Verkäufer ist die Citigroup-Tochter CVC. Die Kartellbehörden müssen dem geplanten Deal noch zustimmen.

Mit 6.500 Mitarbeitern an 80 Standorten weltweit und einem Umsatz von zuletzt gut einer Milliarde Euro sei die Flender-Gruppe einer der weltweit führenden Anbieter von mechanischer und elektrischer Antriebstechnik, hieß es. Das seit 105 Jahren in Bocholt beheimatete Unternehmen Flender steckte in den 90er Jahren in einer Krise, erst durch die rot-grüne Windenergie-Förderung gelang den westfälischen Antriebsbauern ein Comeback. Zahlreiche Windparks wurden aus Bocholt beliefert. Im vergangenen Jahr hatte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) einen neuen Großprüfstand der Flender-Tochter „Winergy“ in Friedrichsfeld bei Bocholt eingeweiht. Die Aktivitäten der Flender Holding GmbH sollen in den Siemens-Bereich Automation and Drives (A&D) integriert werden. Mit mächtigen Mutterfirmen hat das Bocholter Traditionsunternehmen nicht nur gute Erfahrungen gemacht. So gehörte Flender bis zum Jahr 2000 zum mittlerweile insolventen Babcock-Borsig-Konzern.

Siemens betreibt in Bocholt bereits ein Werk für mobile Festnetztelefone. Dem Münchner Konzern könnten damit bald die beiden größten Fabriken in der münsterländischen 70.000-Einwohner-Stadt gehören.

Die Siemens-Beschäftigten in Bocholt und Kamp-Lintfort hatten im vergangenen Jahr ein kontrovers diskutiertes Kürzungspaket hinnehmen müssen. Um eine drohende Verlagerung ihrer Arbeitsplätze nach Osteuropa zu verhindern, stimmten die Arbeiter weitreichenden Einbußen zu. Das Unternehmen erhöhte die Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden, ohne Lohnausgleich, und setzte Entgelt-Kürzungen durch. Einsparvolumen: angeblich über 110 Millionen Euro. Gegenleistung: Eine Zwei-Jahres-Garantie für die rund 2.000 Jobs. Bocholts IG-Metall-Bevollmächtigter Heinz Cholewa begrüßte den Einstieg von Siemens bei Flender. „Bocholt und Siemens ist eine untrennbare Einheit“, sagte er.