Der Weg zum Abzug aus Gaza ist frei

Das israelische Parlament verabschiedet den diesjährigen Haushalt. Scharon-treue Fraktionsmitglieder werden für Abstimmung mit Ministerämtern belohnt. Aus Solidarität mit den Siedlern verlegen hunderte von Familien ihren Wohnsitz nach Gaza

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Israels Premier Ariel Scharon schaufelt sich den Weg frei zum Abzug aus dem Gaza-Streifen. Mit der Verabschiedung des diesjährigen Haushaltes am Dienstagabend räumte er das letzte große Hindernis aus dem Weg. Eine Nicht-Verabschiedung bis Ende des Monats hätte zwingend zu Neuwahlen geführt. Acht dem Regierungschef treue Fraktionsmitglieder wurden prompt mit Minister- und Vizeminister-Nominierungen belohnt, was im oppositionellen Lager als „zynisch“ und „korrupt“ bezeichnet wurde. Sogar einige Abgeordnete des Koalitionspartners Arbeitspartei kündigten im Vorfeld der Parlamentsabstimmung über die neuen Minister an, gegen die Nominierungen zu votieren.

Der Prozess, der den israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen ermöglicht, wird nicht als Paradebeispiel für die Demokratie in die Geschichtsbücher eingehen. Oppositionsführer Josef Lapid, der die Koalition aus Zorn über den Haushalt aufkündigte, ließ sich für 700 Millionen Schekel (rund 120 Millionen Euro) kaufen. Weniger als halb so viel bekam der ultraorthodoxe Sektor als Gegenleistung für die Stimmen der frommen Abgeordneten. Scharon feuerte andersdenkende Minister und setzte sich über die Mehrheitsentscheidungen in seiner Partei und Fraktion hinweg. Ein Referendum, wie die „Rebellen“ im Likud forderten, wäre zweifellos die sauberere Lösung gewesen, wenngleich kosten- und zeitintensiv.

Noch „117 Tage bis zur Loslösung“, so eine Schlagzeile der liberalen Tageszeitung Ha’aretz vom Mittwoch. Rund 8.000 Israelis werden bis Jahresende ihre Häuser räumen müssen. Wer jetzt gehen möchte, muss das auf eigene Rechnung tun. Ungeachtet des jüngst verabschiedeten Wiedergutmachungsgesetzes gibt es bis heute keinen Ansprechpartner, der die Summen für die vorläufig einhundert Abzugsbereiten errechnen und begleichen könnte.

In der Zwischenzeit ziehen umgekehrt immer mehr mit den Siedlern solidarische Israelis in den Gaza-Streifen. Ha’aretz berichtete von „600 Familien“, die in den vergangenen Wochen ihren Wohnort dorthin verlegten. Der Bau von neuen Häusern geht weiter. Gleichzeitig werden mit Geldern aus dem Verteidigungsministerium Häuserdächer mit Metall- und Betonplatten gegen Raketenbeschuss abgesichert.

Jedoch werden die neuen Anschriften im Gaza-Streifen nicht länger registriert. Ab Mitte Mai, wenn der Gaza-Streifen zur militärischen Sperrzone erklärt werden soll, brauchen nicht offiziell registrierte Anwohner zur Einreise eine Sondergenehmigung der Armee.

Der Minister für Innere Sicherheit Gidon Esra riet unterdessen zu einer Entwaffnung der Siedler, „wenn möglich in gegenseitigem Einverständnis“. Um in Israel einen Waffenschein zu bekommen, reicht ein Wohnsitz im besetzten Gebiet aus. Die Konfiszierung der Pistolen soll möglichst spät erfolgen, da „die Leute ihre Waffen zur Selbstverteidigung benötigen“, so Esra.

Obwohl es in der Ortsverwaltung in Gusch Katif, dem größten Siedlungsblock im Gaza-Streifen, heißt, dass man alles daran setze, den Abzug zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, ohne Gewalt einzusetzen, besteht auf Seiten der Siedler und der Sicherheitskräfte große Sorge, dass es zu einem Blutvergießen kommen wird.