Der lange Weg zur Chancengleichheit

Im öffentlichen Dienst werden kleine Fortschritte hin zur Gleichberechtigung sichtbar. Doch in der Wirtschaft sind Frauen in Spitzenpositionen selten, werden unterbezahlt. SPD und CDU hoffen auf die Einsicht der Unternehmen

DÜSSELDORF taz ■ Zumindest in den Landesbehörden wird die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zunehmend Wirklichkeit. Seit der Verabschiedung des Landesgleichstellungsgesetzes, dass seit 1999 bei gleicher Qualifikation die bevorzugte Einstellung von Frauen vorschreibt, hat sich deren Anteil um 3,4 Prozent erhöht. Damit beschäftigt das Land erstmals mehr Frauen als Männer, so die Bilanz von NRW-Frauenministerin Birgit Fischer (SPD): Von den etwa 368.000 Bediensteten der Ministerien und Behörden waren fast 52 Prozent Frauen.

Dennoch bleibt viel zu tun. In den Ministerien sind noch immer nur 23,1 Prozent der Führungskräfte weiblich, in den Ämtern der Fläche sind nur 17,7 Prozent der leitenden Positionen mit Frauen besetzt – 1999 waren es sogar lediglich 10,5 Prozent. „Um so mehr freue ich mich, dass der Frauenanteil gerade im höheren Dienst um 7,4 auf 36,8 Prozent gestiegen ist“, so Fischer. Besonders deutlich wird dies im pädagogischen Bereich: Immerhin 44,3 Prozent der Schulen werden heute von Frauen geleitet, und bei den Stellvertretungen stellen sie mit 50,9 Prozent die Mehrheit.

In der Privatwirtschaft kann dagegen von Gleichberechtigung keine Rede sein. In vergleichbaren Positionen erhalten Frauen durchschnittlich nur 70 Prozent des Einkommens ihrer männlichen Kollegen. „Auch in Führungspositionen sind Frauen noch immer deutlich unterrepräsentiert“, klagt Fischer. „Männer wurden in der Vergangenheit immer bevorzugt.“

Ändern will die Ministerin das aber nur im Einvernehmen mit der Wirtschaft – von neuen Auflagen hält Fischer wie die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Regina van Dinther, wenig. Die oberste Gleichstellungsbeauftragte des Landes hofft stattdessen auf das Einsehen der Bosse und der wenigen Chefinnen. Gemischtgeschlechtliche Teams seien produktiver, die Zufriedenheit der Beschäftigten wachse, die Krankenstände sänken, wirbt sie: „Hierfür wächst das Bewusstsein auch in den Betrieben.“

Die Grünen dagegen wollen die Unternehmen mit sanftem Druck zu mehr Gleichberechtigung zwingen. „Eigentlich bräuchten wir ein Gleichstellungsgesetz auch für die private Wirtschaft“, so Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann zur taz. „In kommenden Koalitionsverhandlungen wird das auf jeden Fall Thema werden.“ Außerdem könne das Land etwa über Auftragsvergaben gegensteuern – Unternehmen, die Frauen gezielt fördern, sollten bei gleicher Qualität und vergleichbaren Preisen künftig den Zuschlag erhalten, fordert Löhrmann.

Die FDP lehnt dagegen jede staatliche Einflussnahme rigoros ab. „Wir dürfen keine neue Bürokratie schaffen“, gibt sich Sprecherin Brigitte Capune-Kitka wirtschaftsliberal. Wegen des wachsenden Fachkräftemangels sei „das Thema Frauenförderung zumindest für Qualifizierte bis 2010 erledigt“. Und an den Grundschulen fehlten schon heute die „Männervorbilder“, warnt die Gesamtschulrektorin. „In den Erziehungsberufen fehlt die Männer-Perspektive.“

ANDREAS WYPUTTA