Genossen sollen Regierung retten

Tschechiens Christdemokraten verlassen Regierung. Premier baut auf die Kommunisten

PRAG taz ■ Lange hing das Schicksal von Tschechiens sozialdemokratischem Ministerpräsidenten Stanislav Gross am seidenen Faden. Jetzt liegt es in den Händen der Kommunisten. Der christdemokratische Koalitionspartner (KDU-CSL) der Sozialdemokraten entschied am Mittwoch, aus der Regierung auszusteigen. Mit dem Abgang der drei KDU-CSL Minister herrscht de facto eine Minderheitenregierung. Wie lange das so bleibt, entscheidet sich heute, wenn die oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS) im Parlament die Vertrauensfrage stellen.

Die Einzigen, die die Regierung dabei noch retten können, sind die 41 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens. „Die Situation ist ernst. Wir gehören sicher nicht zu denen, die mit der ODS stimmen würden“, erklärte KSCM-Chef Miroslav Grebenicek nach einem Treffen mit Gross am Mittwoch. Der oberste Genosse kann zufrieden sein, stünde die Regierung im Falle einer Tolerierung doch in der Schuld der Kommunisten. Schon jetzt wird gemunkelt, die KSCM versuche im Gegenzug für ihre Stimmen personelle Wechsel durchzusetzen.

Als Gross im vergangenen Sommer zum Regierungschef gekürt wurde, witzelte man, er sei nicht nur der jüngste Ministerpräsident des Landes, sondern werde auch der mit der kürzesten Amtszeit sein. Dass jetzt die Messer für ihn gewetzt werden, liegt aber nicht nur an seinen undurchsichtigen Finanzen, den unternehmerischen Bemühungen seiner Frau Sarka oder seiner Unbeliebtheit beim Volk.

Die ODS will die sozialdemokratische Regierung stürzen, um die Privatisierung der Tschechischen Telecom zu verhindern. Denn die ODS will die Telecom als staatliches Unternehmen an die Börse bringen. Gross und sein Finanzminister Bohuslav Sobotka hingegen wollen das Monopol so schnell wie möglich verkaufen. Die 82 Milliarden Kronen, die die spanische Telefongesellschaft Telefónica geboten hat, würden sich gut in der Staatskasse machen.

ULRIKE BRAUN