In Bonn soll die Luft so schlecht bleiben, wie sie ist

Die Bonner Verwaltung sieht keinen Handlungsbedarf in Sachen Feinstaub: 2002 seien die neuen EU-Grenzwerte nur 17 Mal überschritten worden. Das Landesumweltamt hat jedoch in 2003 weitaus schlechtere Werte gemessen

BONN taz ■ Während bundesweit immer mehr Städte an den neuen EU-Richtlinien für Feinstaubwerte scheitern, gibt man sich in Bonn frühzeitig optimistisch. Denn bei bisherigen Messungen hat es in diesem Jahr erst eine Überschreitung des Tagesgrenzwertes von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft gegeben – an der Messstation des Landesumweltamtes in Bonn-Auerberg.

Insgesamt 17 Überschreitungen verzeichnete die Station im Jahr 2002. Da bis zu 35 Überschreitungen im Jahr toleriert werden, wähnt man sich in Bonn auf der sicheren Seite. Umgehend ließ die Stadt verlautbaren, dass ein Luftreinhalteplan nicht erforderlich sei. „Wir haben in Bonn die ganze Problematik nicht“, behauptet Thomas Böckeler vom Bonner Presseamt. Sanktionsmaßnahmen wie City-Maut oder Fahrverbote stünden daher „nicht zur Diskussion“. Bei seiner Einschätzung verlässt sich der Sprecher auf die Ergebnisse der beiden städtischen Messstationen, die seit 2001 in Betrieb sind. Sie überprüfen an besonders stark befahrenen Straßen und Plätzen wie der Reuterstraße und dem Bertha-von-Suttner-Platz die Luftqualität. Mit dem Ergebnis, dass auch der ab Januar diesen Jahres geltende Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter „in keinem Fall überschritten wurde“. Dies stellte die Verwaltung nach einer Grünen-Antrage vom Februar letzten Jahres fest.

Als „irreführend, wenn nicht gelogen“, kritisiert Ulrike Schillemeit, Grüne im Umweltausschuss des Rats, die Ausführungen der Verwaltung. Denn eine lückenlose Überwachung, wie die Messstation des Landes sie bietet, war bislang an den städtischen Messpunkten gar nicht möglich. Nach Meinung der grünen Ratsfrau lassen die Messergebnisse ganz andere Deutungen zu: Da an der Messstation des Landes bei 17 Grenzwertüberschreitungen im Jahr 2002 ein Jahresmittelwert von 24 Mikrogramm pro Kubikmeter ermittelt wurde, heiße das, der Grenzwert müsse an den städtischen Messpunkten öfter als 17 mal überschritten worden sein. Denn hier lag der Jahresdurchschnittswert teilweise schon bei 28,9 Mikrogramm.

Letzte Zweifel beseitigt der Jahresbericht des Landesumweltamtes aus dem Jahre 2003, als der Grenzwert 31mal überschritten wurde. Babette Winter vom Landesumweltamt empfiehlt daher, nicht erst abzuwarten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist – auch die Bonner Werte seien bedenklich. Martin Ochmann