352 Fahrten in das östliche Grau

Die Evangelische Rumänien- und Moldawienhilfe organisiert Hilfsreisen ins östliche Europa. Gestern feierte sie ihr 20-jähriges Jubiläum. Der Aktivist Felix Weickmann: Wir besuchen dort Freunde

„Je weiter man nach Osten kommt, desto schlimmer wird es“

VON PATRICK BAUER

Vielleicht trifft es das: grau. Alles war grau. Als Felix Weickmann 1997 das erste Mal nach Moldawien kam, erschrak er. Er sagt: „Es hat mich aus den Schuhen gehauen.“ Schon bei der Fahrt durch Rumänien dachte er: Schlimmer geht es nicht. Diese Armut, diese Tristesse. Weickmann war damals 17, Abiturient. Er kannte Polen, war auch schon mit dem Fahrrad durch Ungarn gefahren. „Aber je weiter man nach Osten kommt, desto schlimmer wird es.“ Moldawien war trübe, die Menschen wirkten unfreundlich, abweisend. Und Felix Weickmann merkte, dass sie Hilfe brauchen.

Mittlerweile ist er für die Evangelische Rumänien- und Moldawienhilfe Berlin schon fünfzehnmal in die Republik Moldau mit ihren vier Millionen Einwohnern gefahren: „Es ist nicht mehr fremd, es hat was Vertrautes.“ Die Einheimischen, die er kennen gelernt hat, nennt Weickmann Freunde. Und er spricht von „meinem Projekt“, denn die Hilfsprojekte in Moldawien hat er alle von Beginn an begleitet. Als er vor acht Jahren erstmals in das Land reiste, war es auch für die ehrenamtlich arbeitende Organisation eine Reise ins Ungewisse. Zuvor hatte sie nur im Nachbarland Rumänien gearbeitet – seit 1985. Gestern wurde in der Dorfkirche Schmargendorf das 20-jährige Bestehen gefeiert, 352 Fahrten wurden inzwischen organisiert.

Der Gründer, Diakon und Sozialarbeiter Andreas Bodemann, kam 1985 durch einen Zufall auf die Idee, Spenden für Rumänien zu sammeln. Rumänische Freunde aus Berlin luden ihn zu einer Hochzeit in ihre Heimat ein. Gemeinsam machten sie sich mit dem Auto auf den Weg, doch an der Grenze wurden die Rumänen abgewiesen. Nur Bodemann durfte ins Land. Allein, ohne Sprachkenntnisse, mit Hochzeitsgeschenken im Kofferraum. Er wurde herzlichst empfangen und sprach mit den Leuten über ihre Sorgen und Nöte. Es waren die kalten Jahre unter Nicolae Ceaușescu. Bodemann führte einen zähen Kampf mit den rumänischen Behörden, um mit Sachspenden und Geld ins Land zu dürfen. In ländliche Gebiete zu reisen war verboten, der Kontakt zur Bevölkerung ohnehin. Doch Bodemann blieb hartnäckig, schickte sich oft selber Pakete nach Rumänien, um den Zoll zu umgehen. Der Inhalt: Kleidung, Lebensmittel, Bibeln. „Die Leute waren dankbar für Bibeln“, sagt Felix Weickmann. Er ist Katholik und erklärt: „Für mich ist der christliche Hintergrund nicht entscheidend, aber es ist eine Basis, um mit Partnern vor Ort zusammenzuarbeiten.“

So entstand auch das erste große Projekt, mit dem die Rumänien- und Moldawienhilfe es armen Landwirten ermöglichte, an Geräte für ihre Felder zu kommen. Wenn Felix Weickmann von den Anfängen der Hilfsorganisation berichtet, klingt das wie ein Bericht aus längst vergangenen Zeiten. Heute ist vieles anders. Zwar gibt es an den Grenzübergängen noch häufig Schikanen, etwa wenn der VW-Bus auseinander genommen wird oder die Fragen nach Geld immer hartnäckiger werden. Aber Weickmann und die sechs anderen festen Mitarbeiter fahren nicht mehr mit Sachspenden los, nur noch mit Schecks. „Weil das mehr bringt“, sagt Weickmann.

Seit 1997 konzentriert sich die Arbeit auf Moldawien. „Dort geht es den Menschen heute schlechter als in Rumänien“, weiß Weickmann. Mit den rund 40.000 Euro Spenden pro Jahr wurde schon ein Kindergarten in einem Dorf im Süden Moldawiens errichtet. Außerdem betreut die Rumänien- und Moldawienhilfe einen Bauernhof, auf dem Frauen ausgebildet werden, die nach Russland oder Westeuropa verschleppt wurden. Zwangsprostituierte, deren Geschichten oft so schrecklich sind, dass Weickmann sie im Detail gar nicht kennen will. Zudem werden Moldawier unterstützt, die Geschäftsideen, aber kein Kapital haben.

Der Geografiestudent weiß, warum die Rumänien- und Moldawienhilfe seit 20 Jahren funktioniert: „Wir machen nicht irgendein Projekt in irgendeinem Land, wir betreuen Freunde und sind oft zu Besuch.“ Obwohl er es vorhatte, wird er später kaum hauptberuflich in einer Hilfsorganisation arbeiten. „Das ist keine gute Gesellschaft für mich. Oft arbeiten die Leute nur für ihr eigenes Ego, im Land wird dann wenig verändert.“ Weickmann und die anderen betreiben kein Hilfsprojekt der lauten Töne. Der Kreis der Spender ist klein, man kennt sich.

Die Arbeit in Moldawien hat Felix Weickmann nachdenklich gemacht. Vorhin sah er auf den sonnigen Berliner Straßen nur grimmige Mienen. „Obwohl doch der Frühling da ist, obwohl es doch anderen Menschen viel beschissener geht.“ Weickmann weiß das, er kennt dieses Grau.

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