Gross übersteht Misstrauensvotum

Tschechiens Ministerpräsident Gross bleibt mit Hilfe der Kommunisten im Amt, doch womöglich nicht mehr lange

PRAG taz ■ Die tschechische Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stanislav Gross hat gestern ein Misstrauensvotum der oppositiionellen Bürgerdemokraten (ODS) überstanden. Denn nur 78 der 198 anwesenden Abgeordneten sprachen der Regierung ihr Misstrauen aus. Retter waren die 41 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM). Sie enthielten sich der Stimme und installierten so eine Minderheitsregierung der Sozialdemokraten und der kleinen Freiheitsunion. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Juni 2006 wird sie auf Duldung durch die Kommunisten angewiesen sein. Ein Szenario, das angeblich niemand wollte.

Deshalb erklärten zwei Minister bereits ihren Rücktritt . Weitere Minister, unter ihnen Bildungsministerin Petra Buzkova und Kulturminister Pavel Dostal, wollten ihren Verbleib in der Regierung noch überdenken. Präsident Václav Klaus forderte Ministerpräsident Gross deshalb auf, die Regierung wegen des geplanten Austauschs von fünf Ministern erneut vom Parlament bestätigen zu lassen. „Die Krise ist noch nicht vorbei“, warnte Klaus. Die gewünschten Bestätigungen kann er aber nicht erzwingen.

Eine aggressive Spannung herrschte am Morgen im Abgeordnetenhaus auf der malerischen Prager Kleinseite, als sich die Volksvertreter gegenseitig beschuldigten. Gross wurde von den Abgeordneten der ODS und Christdemokraten zum Buhmann erklärt, weil er sich von den Kommunisten aushalten ließe. Der ODS-Fraktionsvorsitzende Vlastimil Tlusty bezichtige Gross gar, Präsident Klaus betrogen zu haben. Die Mehrheit, von der Gross sich im 2004 von Klaus zum Regierungschef küren ließ, sei verfallen, so Tlusty.

Emotionell war das Auftreten des Vorsitzenden der Christdemokraten (KDU-CSL), Miroslav Kalousek: „Ich möchte Sie, Herr Ministerpräsident, darauf hinweisen, dass Sie nur noch ein paar Minuten dafür haben, zurückzutreten. Denn die 101 Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag haben Sie nicht mehr“, schrie Kalousek. Dabei war die Regierung gerade wegen der KDU-CSL in die Bredouille geraten. Am Mittwoch traten die drei Minister der Christdemokraten zurück und machten Gross so zum Chef einer von den Kommunisten abhängigen Minderheitsregierung.

Vor den Kommunisten solle man sich nicht fürchten, meinte der sozialdemokratische Abgeordnete Zdenek Jicinsky und erinnerte die KDU-CSL an ihre Vergangenheit als Blockpartei. „Eine Rückkehr in den Totalitarismus droht nicht, schließlich hat sich die Welt seit 1989 geändert,“ erklärte Jicinsky. Gestern waren die Kommunisten nach 2003, als sie Klaus zu Präsidentschaft verhalfen, zum zweiten Mal die Königsmacher. ULRIKE BRAUN