Clement beschimpft Arbeitslose

Mit Hartz-IV-Nachbesserungen ist schwer punkten, und die Unternehmensteuer hat nun Eichel im Griff. Da macht man doch lieber Arbeitslosen ein paar Vorwürfe

BERLIN taz ■ Nachdem die Arbeitslosenzahlen im März nicht weiter gestiegen sind, wird Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wieder etwas offensiver – gegenüber den Arbeitslosen. Neue Zahlen eines Meinungsforschungsinstituts über die Umzugsbereitschaft von Arbeitslosen kommentierte Clement gestern im Radio: Es bestehe zu wenig Bereitschaft, „sich zu verändern, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen oder an einen neuen Arbeitsplatz zu kommen. All dies geht natürlich so nicht weiter.“

Nun sagen zwar in der Tat 63 Prozent aller befragten Arbeitslosen (und 85 Prozent der über 55-Jährigen), dass sie für einen neuen Job ihren Wohnort nicht aufgeben wollten. Doch wäre das bloß dann bemerkenswert, „wenn es Jobs gäbe, für die sie umziehen sollten“, bemerkte gestern ein dem Minister sonst nahe stehender Sozialdemokrat. Clements Drohgesten wider die Arbeitslosen seien daher nicht angebracht. Doch Clements Möglichkeiten, in den kommenden Wochen anderwärts zu punkten, sind beschränkt. Am 15. April wird er sich mit dem Arbeitsmarktexperten der Union, Karl-Josef Laumann, treffen. Dann sollen die seit Monaten geforderten „Nachbesserungen“ an der Arbeitsmarktreform Hartz IV beraten werden.

Vor allem die Möglichkeiten von Langzeitarbeitslosen, sich zum neuen Arbeitslosengeld II ein kleines Zubrot zu verdienen, sollen wieder ausgeweitet werden. Koalitionkreise vermuten, dass das Ergebnis dicht am Vorschlag der Union liegen wird. Demnach könnten Alg-II-Bezieher von 400 Euro Zusatzerwerb künftig 190 Euro für sich behalten statt wie bisher 60 Euro.

Allerdings bringt jede Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeit ein Gerechtigkeits- und Anreizproblem mit sich: Arbeitslosengeld II und Wohngeld plus Zuverdienst können in der Summe mehr ergeben als ein mies bezahlter Vollzeitjob. Doch haben Koalition und Opposition sich offenbar darauf geeinigt, diese Kollision von Kombi- und Niedriglohn in Kauf zu nehmen. Im Kampf um eine Unternehmensteuerreform hat Clement sich zwar gegen Finanzminister Hans Eichel (auch SPD) durchgesetzt: Der Kanzler erhörte Clement statt Eichel und verabredete auf dem „Jobgipfel“ Mitte März mit den Spitzen der Union eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 19 Prozent. In der Umsetzung dieses Projekts aber hat nun Eichel das Privileg des Handelns.

Eichel ist für den 8. April mit Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) und Nordrhein-Westfalens Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) verabredet, um über die Gegenfinanzierung zu reden. Insgesamt müssen die Finanzexperten 6 Milliarden Euro auftreiben, die durch die Steuersenkungen von Kanzler und Union fehlen werden. Die Union bestritt tagelang, dass es eine derartige Verabredung gebe. Doch scheint ihr ein Ausbremsen der Jobgipfel-Vereinbarungen offenbar nicht länger opportun.

ULRIKE WINKELMANN