Hamster helfen nicht

RWE hat sich wohl verzockt und muss ein Kraftwerk bauen

Die Hamster-Posse geht in die nächste Runde. Gestern begann in Grevenbroich-Neurath die Erörterung zum geplanten Kraftwerksneubau von RWE Power – die alles entscheidende Frage scheint zu sein: Was macht eigentlich der Cricetus cricetus?

Der vom Aussterben bedrohte Feldhamster ist über Nacht zum Maskottchen der Landespolitik geworden, bis in das Düsseldorfer Parlament hat er es schon geschafft. Im vergangenen Jahr lieferten sich Abgeordnete von Koalition und Opposition einen verbalen Schlagabtausch um das Tier.Doch die Geschichte ist vertrackt: Auf einem Gelände in Neurath, auf dem die RWE Power AG ein neues 2.000-Megawatt-Braunkohlekraftwerk bauen will, fand ein von RWE höchstselbst und völlig freiwillig beauftragter Zweit-Gutachter plötzlich Spuren von Feldhamstern – nachdem der erste Gutachter, den das Unternehmen bestellt hatte, das Areal noch als „hamsterfrei“ bezeichnet hatte. „Hamster stoppen Kraftwerk“ lauteten da die Schlagzeilen, denn die EU kennt beim Hamsterschutz kein Pardon: Die Tiere dürften dem Neubau nicht zum Opfer fallen.

Umweltschützer reichten denn auch flugs Einspruch gegen den Genehmigungsantrag von RWE ein – und eine ungewöhnliche Koalition aus CDU, FDP und DGB reagierte mit alt bekannten Reflexen: Es könne nicht angehen, dass „wild gewordene Naturschützer“ wegen ein paar vermuteter Hamsterrestbestände eine Zwei-Milliarden-Euro-Investition und die erhofften neuen Arbeitsplätze verhinderten – Vorfahrt für Arbeit, so der Tenor. Da kamen natürlich auch SPD und Grüne nicht umhin zu versichern, dass sie ausdrücklich hinter dem geplanten Kraftwerksneubau stünden – Hamster hin oder her. Da hilft es auch nichts, dass erst gestern Greenpeace-Aktivisten einen Ausbaustopp der „größten CO2-Schleuder Deutschlands“ gefordert haben.

Doch wer gedacht hatte, dass sich über all die politische Unterstützung vor allem RWE freut, könnte sich getäuscht haben. Denn der Energiekonzern zeigt erstaunlich wenig Interesse am Neubau. Und nicht wenige – Umweltschützer wie Politiker – fragen sich, warum das Unternehmen selbst einen Gutachter beauftragt hat, der für seine „Hamsterfunde“ geradezu berüchtigt ist. RWE wolle sich vor dem Neubau und der Modernisierung des Kraftwerksparks, zu der es verpflichtet ist, einfach nur drücken, mutmaßten denn auch grüne Politiker.

Doch wenn das Essener Unternehmen Pech hat, geht der Schuss nach hinten los: Die Zustimmung der Bezirksregierung zum Neubau gilt – trotz Hamstern – als sicher. ULLA JASPER