Deutschland am Ende

Bundesrepublik ist in puncto Wachstum erneut Schlusslicht aller 25 EU-Staaten. Auch Defizitin 2005 wieder über 3 Prozent. So die Prognose der EU-Kommission. Eichel will aber nicht sparen

BRÜSSEL taz ■ Finanzminister Hans Eichel zeigt sich unbeeindruckt von der Frühjahrsprognose der EU-Kommission – zumindest nach außen hin. Die Schätzung der Bundesregierung werde Ende April überprüft und falls nötig korrigiert, ließ er gestern verkünden. Deutschland geht bislang von einem Staatsdefizit von 2,9 Prozent und 1,6 Prozent Wachstum für das laufende Jahr aus. Die EU-Kommission rechnet dagegen nur mit 0,8 Prozent Wachstum und 3,3 Prozent Neuverschuldung. Damit würde Deutschland zum vierten Mal in Folge die im Stabilitätspakt vorgeschriebene Defizitmarke von drei Prozent überschreiten. Am Montag sagte Eichel in Berlin aber, er wolle einer erneuten Überschreitung der Defizitgrenze nicht mit einer Sparaktion entgegenwirken. Falls die Konjunktur deutlich schwächer ausfallen werde als erwartet, werde er „nicht hinterhersparen“, sagte Eichel. „Das wäre eine falsche Antwort.“

Die Union nannte es „eine Unverschämtheit“, dass Rot-Grün weiter an seinen Vorhersagen für Konjunktur und Staatsdefizit festhalte, obwohl sich nun auch Brüssel auf die Seite der Pessimisten gestellt habe. Der Behauptung der Regierung, die Bundesrepublik habe ihre Wachstumskrise überwunden, sei die Basis entzogen worden. Die CSU sprach von einer „Schande für Deutschland“. CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte: „Rot-Grün hat unser Land in Europa zur ökonomischen Lachnummer gemacht.“ Die Regierung habe die Kontrolle über den Haushalt völlig verloren.

Im Herbstgutachten 2004 war die EU-Kommission für Deutschland noch von einem Wachstum von 1,5 Prozent ausgegangen. „Lohnstagnation und geringer Beschäftigungsanstieg sorgten für einen Rückgang in der Binnennachfrage, sowohl beim Verbrauch als auch bei den Investitionen“, sagt die EU-Kommission. Der Aufschwung bleibe deshalb instabil. Die indirekte Kritik an der Lohnentwicklung in Deutschland teilen auch Wirtschaftsexperten. Es handele sich dabei um eine „interne Abwertung“ als Ausgleichsmaßnahme für die 1998 bei der Euroeinführung zu teuer bewertete Mark, glaubt David Milleker von der Allianz-Gruppe in Frankfurt.

DANIELA WEINGÄRTNER

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