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DREHARBEITENPARTYHeiliger Boden

So schön koksweiß, bisschen Art déco

Tatjanas Einladung hatte vielversprechend geklungen: „Ich erinnere Euch nochmals daran, dass bei der Party Langeweile und Rumhängen gefragt ist …“, stand in der Mail, die auch andere interessante Hinweise auf eine spannende Saturday Night in der Linienstraße enthielt. „Ihr müsst die Schuhe ausziehen – der HOLZBODEN ist hier heilig!!!“ Und, besonders ansprechend: „Es ist keine Party! Sondern eine Filmparty. Das heißt, auf Ansage Klappe halten (oder Gespräche führen, Themen: Stadtschloss, Townhouses).“ Schon klar: Keine Disco, kein CBGBs und ganz generell keinerlei Narretei.

Doch die Sache diente ja einem guten Zweck: Es galt, den Film „Eine flexible Frau“ abzudrehen, in der sich eine arbeitslose Architektin im Callcenter versucht, sogar dort fliegt und schließlich als urbane Drifterin durch Stadt, Zeit und Raum taumelt. Sicherheitshalber war ein Auszug aus dem Drehbuch gleich mitgeschickt worden. Darin plustern sich Typen wie Max, 40, ganz schön auf: „Alle wollen meine Townhäuser. Alle wollen meine Miami-Vice-Siedlungen haben. So schön koksweiß, bisschen Art déco. Schmiedeeisern. Na du weißt schon.“Also genau das, wovon meine blonde Begleitung träumt.

Und wenigstens die hatte in der für Friedrichshainer Verhältnisse wohnungsgroßen Küche des dreistöckigen, berlingrauen Stadthauses dank ihrer neuen, beinahe professionellen 50D-Canon/Kanone auch ihren Spaß beim Abschießen rauchender Partygäste, die sich meist schon von der Release-Party des Magazins Dada Dandy, aus Architektenkreisen oder den späten Neunzigern kannten. Der Einladungstext aber war wahr: Umbaupausen und Ähnliches sorgten für echtes Rumhängen, und das improvisierte Re-Enactment der Stadtschlossdebatte am Küchentisch wurde auch beim dritten Take kein Thriller. Tragisches Fazit: Ironie ist sogar in Mitte over. GUNNAR LÜTZOW

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