Geheimnisse lüften

Werner Rügemer wagt sich mit einer szenischen Lesung an eine posthume Würdigung Alfred von Oppenheims

De mortuis nihil nisi bene. Über die Toten nichts, es sei denn Gutes. So lautet ein alter Grundsatz. Auch Werner Rügemer kennt ihn. Doch im Fall des kürzlich im Alter von 70 Jahren verstorbenen Alfred Freiherr von Oppenheim macht der Kölner Journalist eine Ausnahme. Heute Abend präsentiert Rügemer in Zusammenarbeit mit dem Theater Tiefrot in der Fachhochschule Südstadt einen „nachgereichten Nachruf“ auf Oppenheim.

Gründe für eine posthume Würdigung gibt es zuhauf: Oppenheim war bis zu seinem Tod Präsident der Industrie- und Handelskammer und Seniorchef der größten Privatbank Europas, der Kölner Sal. Oppenheim. Und er war der reichste Bürger der Stadt mit einem geschätzten Vermögen von 2,9 Milliarden Euro.

Da ist es doch verwunderlich, dass die Öffentlichkeit über Oppenheim sehr wenig weiß. Seine Geschäfte führte der Bankier gerne „geheimer als geheim“. Der als tief schürfender Kritiker der herrschenden Verhältnisse bekannte Rügemer möchte mit der szenischen Lesung nun ein paar Geheimnisse lüften.

Nichts Böses solle über den Verstorbenen gesagt werden, sondern nur die reine Wahrheit, so heißt es in einem ersten Entwurf des Textes. Doch diese Wahrheit ist nicht immer schmeichelhaft. Etwa, wenn die Verstrickungen Oppenheims in die Schwarzgeldaffäre der CDU, der Pakt mit den Bankteilhabern Pferdmenges in der Nazi-Zeit und Oppenheims Protest gegen das Holocaust-Denkmal zur Sprache kommen. Angesichts des kaum zu ermessenden Reichtums der Oppenheims wirkt auch die Rhetorik des Familienoberhaupts fast unanständig: „Der Deutsche ist zu faul geworden“, zitiert Rügemer den „Grandsigneur der Hochfinanz“, der gerne in der Yacht die Welt umsegelte.

Man munkelt, dass die Kölner Industrie- und Handelskammer die Lesung unterbinden wollte – mit dem dezenten Hinweis auf Sponsorengelder, welche die mächtige IHK für die Fachhochschule bewilligt. Vielleicht lässt sich heute Abend ja auch noch das Geheimnis lüften, wie viel Wahrheit in diesem Gerücht steckt. SEBASTIAN SEDLMAYR

„In Sachen Alfred Freiherr von Oppenheim – nachgereichter Nachruf auf den ehemals reichsten Bürger der Stadt“, heute Abend, 19.30 Uhr im Café Himmelsblick, Claudiusstraße 1