Bayernchef mit nervöser Note

Früher war Seehofer bei seinen sozialpolitischen Kämpfen noch glaubwürdig

Die Themen werden rar, zu denen Horst Seehofer gerade keine Schlagzeile zu produzieren hat. Guttenberg heimholen, Vorratsdatenspeicherung zur Chefsache machen, Rente mit 67 nun plötzlich wieder blöd finden – wird alles gern genommen in der nachrichtenschwachen Zeit. Wie wär’s vielleicht noch mit „Betreuungsgeld verdreifachen“ oder so? Es sind schließlich noch zwei Tage Zeit bis Wildbad Kreuth.

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident war sich selten für irgendetwas zu schade, um vor „Kreuth“, dem traditionsreichen CSU-Parlamentariertreffen zu Jahresbeginn, ein wenig Medienwirbel zu veranstalten. Parteipolitisch gesehen, ist die Klausurtagung im kleinen Bergort südlich vom Tegernsee ein nachholendes Silvesterfeuerwerk. Es muss krachen, zischen und bunt schillern, es ist ja CSU.

Doch hat Seehofers Mitteilungsdrang heuer eine nervösere Note als sonst. Die Bayernwahl ist zwar erst im Herbst 2013. Die jüngsten Umfragen beim Wahlvolk zeigen aber, dass die CSU vom Niedergang der FDP nicht profitiert und ihr die Opposition aus SPD, Grünen und Freien Wählern mit 43, 44 oder mehr Prozent Aug in Aug gegenüber steht.

Offenbar will Seehofer, um die CSU zur absoluten Mehrheit zurückzuführen, wie gewohnt die Kanzlerin Angela Merkel sozialpolitisch links überholen. Da eignet sich eine windelweiche Aussage wie zur Rente mit 67 ganz gut. Jeder ist dafür, das Beschäftigungsangebot für ältere Arbeitnehmer zu verbessern.

Schon vor gut einem Jahr, im Herbst 2010, stellte Seehofer die Rente mit 67 nahezu wortgleich infrage. Er legte dabei ein bei der CSU erprobtes Muster an den Tag: soziale Sicherung groß schreiben, und, um nicht als Weichei zu gelten, gegen Ausländer austeilen („Zuwanderer brauchen wir nicht“). In Reinform praktizierte Seehofer diese Links-rechts-Kombination 2004. Damals zog er gegen Merkels „Kopfpauschalen“-Gesundheitsreform zu Felde und torpedierte gleichzeitig das Zuwanderungsgesetz.

Seehofers Kampf gegen die Kopfpauschale war freilich noch glaubwürdig – er verlor zwischenzeitlich darüber alle Ämter. Die Rente mit 67 dagegen hat er 2007 klaglos mitbeschlossen. Und Stimmung machen gegen Migranten ist inzwischen auch nicht mehr so leicht. Um die CSU wieder in Alleinregierung zu bringen, wird er sein Verlautbarungsrepertoire neu abmischen müssen. uwi