Die Kriegslistige

1945 jenseits der Hauptkriegsschauplätze (Teil 5)

AUS SAN SIMONSVEN HANSEN

Sie will eigentlich gar nichts sagen. Sie darf nichts sagen. Auch wenn der Kampf schon 60 Jahre her ist. „Wir hatten eine klare Hierarchie und strenge Disziplin“, erklärt Simeona Punzalan Tapang. Und die Regeln sehen nun mal vor, dass Luis Taruc, Anführer der philippinischen Guerilla im Kampf gegen die Japaner, Interviews genehmigen muss. Aber Taruc ist 87 Jahre alt und krank und lebt in Manila. Man kann ihn nicht so einfach fragen, ob seine Untergebene über damals sprechen darf. Taruc selbst äußert sich selten zum Guerillakampf. Sie nennt ihn erfurchtsvoll „Supremo“, als unterstehe sie immer noch seiner Befehlsgewalt. Nach 60 Jahren.

Simeona Punzalan Tapang sitzt im Haus ihrer Familie in der Gemeinde San Simon. Die liegt im fruchtbaren Zentrum der philippinischen Hauptinsel Luzon, eine gute Stunde Fahrt nördlich von Manila. Wie bei vielen philippinischen Bauern sind ihre Zähne vom Kauen der Betelnüsse rot gefärbt.

Doch die 83-Jährige hat auch dunkelrot lackierte Fußnägel. Das wirkt angesichts ihres hohen Alters weniger affektiert als eher pfiffig-verspielt. Tapang war eine Kriegsführerin, vor 60 Jahren als die Hukbalahap, kurz Huk genannt, von Kommunisten und Sozialisten gebildet wurde, um gegen die japanischen Angreifer zu kämpfen.

Was soll ihr Anführer dagegen haben, dass sie ihr Leben erzählt? Was soll er selbst berichten können über die Geschichte einer Kommandantin? Nach einer halben Stunde lässt sie sich doch überreden. „Als Taruc mich in die Bewegung holte, flehte ihn meine Mutter an, dies nicht zu tun“, erzählt Tapang. Die Mutter fürchtete ihre Tochter zu verlieren.

Der Vater hatte schon 1898 in der Revolution gegen die Spanier gekämpft und war 1938 gestorben. Taruc sagte, der Kampf gegen das Feudalsystem auf den Philippinen sei wichtig für das Land. „Er konnte meine Mutter nicht überzeugen. Ich schloss mich ihm aber dennoch an“, sagt Tapang.

Schwadron 101

Vor dem Krieg habe sie einmal mit einigen Frauen zusammengesessen, als ein fliegender Händler vorbeikam. „Er schaute auf meine Handfläche und sagte: Du wirst einmal eine hohe Position einnehmen.“ Sie und die anderen Frauen hätten gelacht. Schließlich war Tapang ein einfaches Bauernmädchen mit nur vier Jahren Schulbildung. „Doch es war wie ein Wunder: Im Krieg stieg ich bis zur Kommandantin im Rang eines Majors auf.“

Zunächst habe sie im Dorf Pächterinnen gegen die lokalen Großgrundbesitzer organisiert, dann in den Nachbardörfern und schließlich auch Männer: „Alle haben unter dem feudalen System gelitten“, sagt Tapang. So lebhaft wie sie noch heute gestikuliert, ist leicht vorstellbar, dass sie früher eine feurige Rednerin gewesen sein muss, die Bauern überzeugen konnte.

Als die Japaner in Tapangs Heimatregion eindrangen, richteten sie in umliegenden Kleinstädten Militärstützpunkte ein. In Tapangs Dorf organisierte die Huk die Schwadron 101. Schwadronen zählten rund 100 Bewaffnete. „Als die Japaner ins Dorf kamen, wurden sie angegriffen. Einer sogar gefangen genommen“, erinnert sich Tapang. Doch sie kamen mit Verstärkung zurück. Die Schwadron 101 war noch zu unerfahren, um ihnen auszuweichen. Viele wurden getötet.

Gestank als Waffe

Die Huk hatte zunächst kaum Waffen. Nur Bambusspeere, Macheten und einige selbst gebaute Gewehre. Erst mit zunehmenden Überfällen erbeutete sie mehr. Auch brachten sie aus ihrer fruchtbaren Provinz Reis in andere Gebiete und tauschten sie dort gegen Waffen und Munition, die sie nach Zentralluzon, ihrem Hauptoperationsgebiet, schmuggelten. Einmal gelang es ihnen, ein Flugzeug voll Waffen abzuschießen.

Spricht die 83-Jährige über den Guerillakampf, hört es sich an, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Wie selbstverständlich redet sie über die Vorzüge einzelner Gewehrmodelle oder über die Arbeit im Untergrund. „Nach diesen Razzien der Japaner beschloss Taruc, dass wir Bauernführer uns dem bewaffneten Kampf anschließen sollten.“

Als Tapang zu einem Treffen mit US-Militärs unterwegs ist, die hinter den japanischen Linien operieren, wird ihr Treffpunkt verraten. Schon von weitem hört sie Schüsse. Mit einem Bauern geht sie voraus, um die Lage zu erkunden. Dabei werden sie gefangen genommen. Nur durch eine List überleben sie. Sie gibt sich als Frau ihres Begleiters aus und behauptet, die beiden seien von der Guerilla entführt worden und hätten fliehen können. Sie werden nicht erschossen, sondern kommen in ein Lager. Dort war es schrecklich. „Ich konnte mich einen Monat lang nicht waschen, dann bekam ich auch noch meine Menstruation. Ich stank fürchterlich. Doch das schützte mich vor sexuellen Übergriffen. Manchmal ist Gestank auch eine Waffe“, sagt Tapang. Sie grinst.

Nach ihrer Freilassung Ende 1943 wurde Tapang politische Direktorin der neu gegründeten Schwadron 104.

Sie war für die politische Anleitung der Kämpfer und Kämpferinnen sowie deren Bildung und Disziplin zuständig. In der Hierarchie stand sie über dem militärischen Führer der Gruppe und war damit Kommandantin der gesamten Schwadron. „Commander Guerrero“ lautete ihr Deckname. Das spanische Wort Guerrero bedeutet Krieger. Als politische Direktorin muss sie sich gegen den Militärkommandanten ihrer Schwadron durchsetzen. An einem Bewässerungskanal gerät ihre Schwadron einmal unter japanischen Beschuss. Mehrere Guerilleros werden getötet. Der Militärführer ist nicht in der Lage, den geordneten Rückzug anzuordnen. Für Tapang dagegen ist klar, dass ihre Kämpfer eine defensive V-Formation annehmen mussten, um sich gegenseitig deckend zurückziehen zu können.

Die Bäuerin beschreibt, wie sie dem Militärführer ihre Pistole Kaliber 38 vorhielt. Er gehorchte, der Rückzug gelang. Das Verhältnis zu ihren männlichen Untergebenen sei aber insgesamt entspannt gewesen. Dies habe mit daran gelegen, dass sie Differenzen nur unter vier Augen und nicht vor der Gruppe ausgetragen habe. Auch habe sie hohen Respekt genossen, da sie für die Anleitung der Männer zuständig gewesen sei. Zu ihrer Schwadron hätten auch bis zu dreißig Kämpferinnen gehört, darunter allein zehn aus ihrem Dorf. Wie viel Frauen aber Huk-Einheiten führten, weiß Tapang nicht mehr. Maria Vina Lanzona, die an der US-Universität von Wisconsin über Frauen in der Huk forschte, schätzt die Gesamtzahl der Kommandantinnen auf unter zehn.

In der Huk streng verboten war Sex zwischen unverheirateten Kämpferinnen und Kämpfern. Tapang erinnert sich an einen Fall, in dem einer Guerillera vorgeworfen wurde, einen Kämpfer verführt zu haben. Darauf stand die Todesstrafe. Das Grab war bereits ausgehoben, als der Mann plötzlich vor das Exekutionskommando trat und auch um seinen Tod bat. Er sagte, sie liebten sich und wollten heiraten. „Da wir nicht zwei Kämpfer verlieren wollten, verzichteten wir auf die Exekution.“

Auf die Frage, wie viele Japaner und Kollaborateure sie im Krieg getötet habe, sagt sie, es seien zu viele gewesen, um sie zählen zu können, zumal die Situation in den Gefechten oft zu unübersichtlich gewesen sei.

Direkt nach der Rückeroberung Manilas im März 1945 begannen die Amerikaner mit der Entwaffnung der Huk. Diese Guerilla, die für eine Landreform und eine soziale Revolution kämpfte, war ihnen suspekt. Denn die Amerikaner stützten ihre Macht in ihrer Kolonie auf die feudale Elite. Die Huk ließ sich widerstandslos entwaffnen, da die hinter ihr stehende Kommunistische Partei zunächst glaubte, ihre Ziele mittels demokratischer Wahlen erreichen zu können.

Zurück in den Untergrund

1946 errang das Linksbündnis Demokratische Allianz sechs Parlamentsmandate. Es durfte sie jedoch nicht antreten. So griff die Huk ab 1947 – jetzt unter dem Kürzel HMB – wieder zu den Waffen.

Auch Tapang ging wieder in den Untergrund. Kurz darauf lernte sie ihren Mann kennen, auch ein Guerillakämpfer. Sie war im achten Monat schwanger, als er erschossen wurde. Da damals ein hohes Kopfgeld auf sie ausgesetzt war, brachte sie ihre Tochter 1948 unter falschem Namen in Manila zur Welt. Schließlich wurden die Guerillakämpfer 1954 vernichtend geschlagen.

Tapang hat danach ein einfaches Leben als Bäuerin und Witwe gelebt. Von der Regierung offiziell anerkannt und damit auf eine Stufe mit anderen antijapanischen Kämpfern gestellt wurden die Huk-Veteranen ausgerechnet unter dem Diktator Marcos. Der arrangierte sich mit den inzwischen bedeutungslos gewordenen Kommunisten aus Zentralluzon und bekämpfte deren Abspaltung, die noch heute aktiven Maoisten. Eine kleine Kriegsrente bekommt Tapang aber erst seit Marcos’ Sturz 1986.

Ihren damaligen Kampf bereut sie nicht. Bitterkeit verspürt sie allerdings darüber, dass viele Huk-Führer nach dem Krieg von den Schergen der damaligen Regierung getötet wurden. Zum Glück habe sich aber inzwischen das Los der Pächter und Kleinbauern durch einige Landreformprogramme verbessert. „1943 stand ich in der Blüte meiner Jugend“, sagt sie. „Wenn mich damals ein Mann von hinten sah, wollte er sofort mit mir anbändeln. Sah er mich dann von vorn, verunsicherte ihn meine starke Ausstrahlung.“ Sie zögert. „Schreiben Sie das jetzt etwa auch auf?“ Sie lacht über sich selbst.

Die Japaner hasse sie nicht mehr. „Was uns die japanischen Besatzer, die Amerikaner und andere Ausbeuter antaten, gehört zum System von Großgrundbesitz und Großkapital“, sagt sie. Als sie nach Kriegsende japanische Gefangene in einem Lager sah, hätten diese ihr Leid getan. „Sie waren Opfer des Systems genau wie viele Filipinos.“

Mitarbeit: Sixto Carlos jr.