Warten auf Adam

Wenn der beste Kumpel der Boss ist: Adam Bousdoukos, Tavernenbesitzer, Musiker, Schauspieler, gehört zum Freundeskreis von Regisseur Fatih Akin. Ein Besuch in seinem Kiez in Hamburg-Altona

Da ist ein Scheppern von Tellern im Hörer, und die Stimme einer Kellnerin, die Besseres zu tun hat: „Adam? Der ist nicht da. Ruf morgen wieder an, ab 17 Uhr.“ Jetzt hartnäckig bleiben. Der Mann muss doch zu sprechen sein. Auf dem Filmfestival von Locarno haben sie ihn, an der Seite seines Freundes und Regisseurs Fatih Akin, für den Bronzenen Leoparden ausgezeichnet. Damals als Ensemblemitglied von „Kurz und schmerzlos“. Mit diesem Film wurde Adam Bousdoukos ein Name. Er hat seither in fast allen Akin-Filmen mitgespielt und in zahlreichen TV-Produktionen, so an der Seite von Edgar Selge in „Barracuda Dancing“ und Evelyn Hamann in „Adelheid und ihre Mörder“. Aber der Weg zu ihm führt über dieses Telefon. Und das steht in der griechischen Taverne Sotiris in Hamburg-Altona.

Adam Bousdoukos, 1974 geboren, Grieche, aufgewachsen in der multikulturellen Welt von Altona. Einer aus dem engsten Freundeskreis um den türkischen Regisseur Fatih Akin. Mit dessen Namen ist seine Filmkarriere untrennbar verbunden. Schon im ersten Hochschulfilm, den Akin 1995 drehte, hatte Bousdoukos eine Rolle. Freundschaften wie diese funktionieren nach den Gesetzen der Familie. Man sorgt füreinander. 1998 übernahm Bousdoukos die Figur des Costa in Akins Kiez-Studie „Kurz und schmerzlos“. Der Film und sein Erfolg waren eine Chance. Bousdoukos hat sie genutzt. Auch, um sich den Traum vom eigenen Laden zu erfüllen. Bevor er ihn gekauft hat, hat er hier selbst mal Teller geschleppt.

Die Kellnerin besinnt sich, dass irgendwo Adams Mobilnummer steht. „Ruf in zehn Minuten wieder an, dann hab ich sie rausgesucht.“ Das Sotiris, sagte Fatih Akin einmal, sei sein Lieblingslokal. Da geht es vielen Hamburgern nicht anders. Der Laden ist immer gut besucht und wird von manchen als Geheimtipp gehandelt, im Internet kursieren bereits erste kleine Berichte dazu. „Obwohl man sich der Altonaer Filmszene nahe fühlen darf“, schreibt ein Hobby-Testesser unter dem Namen Ulfsch, „sowohl Preise als auch Publikum sind durchaus freundlich und angenehm unszenig.“

Ein paar Tage später, vor der unscheinbaren Fassade des Sotiris. Die Holztür ist verschlossen, der Nachmittagsverkehr rauscht vorbei. Warten auf Adam. Klar, hat er gesagt, als man ihn endlich am Telefon hatte, ein Gespräch, können wir machen. Er würde noch zwei andere dazu einladen, Mitmusiker seines Bandprojektes. Einer dieser Musiker, ein 31-jähriger Franzose, wartet auch und verkürzt die Zeit mit Geschichten. Er erzählt, was sie noch vorhaben. Großes. Die Altonaer Musikszene zusammenzuführen. Auch das ist eine Art Familie.

„Ich mach erst mal die Kaffeemaschine an“, sagt Adam später. Das Licht hier ist dämmrig, auch tagsüber. Man sitzt unter dem Konstrukt, das der 31-Jährige für seine DJ-Anlage gebaut hat. Schwarze Sterne auf roten Fliesen, mit einer Holzbordüre, ein Schuss Hellas-Kitsch. „Ich hab daran so lange gebaut wie an der Akropolis“, sagt er. Das Ding sieht aus wie eine Kirchenkanzel. Adams Vater ist Prediger. Da oben steht der Sohn jetzt einen guten Meter über allen und legt Musik auf.

Musik, Film, Gastronomie. Eine seltsame Kombination. Leuten wie Adam Bousdoukos würde an anderen Orten, in anderen Konstellationen keine Chance gegeben. Der Stadtteil Altona aber lebt von Menschen wie Adam. Jeder von ihnen trägt in sich eine Möglichkeit, die vielleicht, eines Tages, genutzt wird. Adam hat seine durch Fatih Akin erhalten, keine Frage. „Ich habe es geschafft, mich im Kino zu sehen – das hat mir einen Push gegeben.“

Bis es so weit war, hat er die beinahe typische Karriere eines Suchenden durchlaufen. Zu Anfang war da der Wunsch, eine Musical-Ausbildung zu machen. Das war so ungefähr in der Zeit, als der Tanzfilm „Fame“ die Kinos stürmte und Adam seine T-Shirts aufgeschnitten trug. Mit 16, 17 Jahren hat er Unterricht an der Hamburger Stage School genommen. Die Schulausbildung ganz zu zahlen, das kam für seinen Vater nicht in Frage, sagt Adam: „Wenn du aus einer bestimmten Ecke kommst, dann fällt es schwer, da auszubrechen. Meine Familie ist eine typische Arbeiterfamilie.“

Als Teenager hat er gekellnert und kleine Filmrollen in der Werbung übernommen. Später Krankengymnastik gelernt. Sozialpädagogik studiert. Ein Praktikum in einer Drogenberatung gemacht. Dann kam die erste Band. Irgendwann in dieser Zeit wird ihm Fatih Akin begegnet sein. Wann genau? Adam auf solche Rückblicke festzunageln, ist schwer. Es könnte ihn aus der Stimmung reißen, die gut ist. Und was macht es schon, ob es ein Jahr früher oder später war. Was zählt ist, was passiert. Irgendwann fällt dieser Satz: „Es ist mir ziemlich spät klar geworden, dass man Geld verdienen muss.“ Mit beiden Händen fährt er sich durchs Haar, in einer klemmt noch die Zigarette.

Er hat Geld verdient, er hat es investiert. Zum Beispiel in den Laden, in dem auch seine Cousine und seine Freundin arbeiten. „Die kennen mich als Adam, den Rumtreiber. Aber das hier liegt in meiner Verantwortung, und das wird respektiert.“ Im Filmgeschäft gehört diese Rolle Fatih Akin: „Wir sind Kumpel, aber er ist auch mein Boss.“ In Altona ist Adam derjenige, der Möglichkeiten offeriert. Deshalb hat er auch seine Mitmusiker eingeladen. Er schiebt sie sachte in den Vordergrund, sie sollen statt seiner das Musikkollektiv präsentieren, während er Cappuccino serviert. Zu dritt bilden Adam, der Franzose David und der Produzent Thomas einen musikalischen Kern, den eine bewegliche Masse umgibt. Je nach Bedarf holen sie Gastmusiker, natürlich aus dem Viertel, zu einzelnen Projekten hinzu. Da gibt es Full contact, das Funkprojekt, oder Damn on, das elektronische Soulprojekt. Einzelne Auftritte in Hamburg hatten sie schon, Ende dieses Jahr wollen sie einen Altona-Sampler herausbringen.

Keine Rede ist an diesem Nachmittag davon, dass der Grieche einen neuen Film namens „Kebap Connection“ gedreht hat. Regisseur der Culture-Clash-Komödie, die in Altona angesiedelt ist, ist Anno Saul („Grüne Wüste“), das Drehbuch stammt von Fatih Akin. Adam spielt an der Seite von Sibel Kekilli. Es wäre ein guter Anlass für Eigenpromotion. Bousdoukos redet lieber über Musik. Mit seinem Bruder ist er früher in den griechischen Kirchen Hamburgs aufgetreten und hat gesungen, so hat alles angefangen. Mitten in der Erzählung schaut Adams Vater vorbei, Küsschen links, Küsschen rechts, „ich wollte nur mal vorbeischauen“. Und geht wieder. Wenn Altona eine große Familie ist, dann ist das Sotiris ihr Wohnzimmer. Noch ein abschließender Satz zur Musik? „Jeder hat Rhythmus“, sagt Adam, und zeigt auf sein Herz.

Lange nach diesem Gespräch geht ein Anruf an die Wüste Filmproduktion, die die meisten Akin-Filme in die Kinos gebracht hat, die auch „Kebap Connection“ verantwortet. Gerne hätten man noch einmal mit Adams Agent gesprochen. Doch, siehe da, den gibt es nicht mehr. „Das macht Adam jetzt selbst“, heißt es. Und so wählen wir zum Schluss wieder die Nummer des Sotiris. Wieder das Tellerklappern am anderen Ende. „Adam kommt später.“ Ein letztes Mal Warten auf Adam, übers Handy läuft die Mailbox. Schließlich erreichen wir ihn doch. Er ist gerade dabei, einen zweiten Laden in Altona zu eröffnen, einen Club auf der Bahrenfelder Straße, gegenüber der Fabrik. Glam Slam soll er heißen. „Weil Prince ein Vorbild von mir ist, kann man das so sagen? Nein, besser, schreib: ein Idol.“ Die genaue Adresse weiß er nicht. Aber er verspricht, sie zu mailen. Andrea Mertes