KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Anmache im Wollkleid

Wie man auf der Straße behandelt wird, hängt davon ab, ob man als Frau oder als Mann wahrgenommen wird

Zu Silvester darf es gerne mal ein bisschen mehr sein – Haut, nicht Alkohol. Das dachte ich mir jedenfalls, als ich mir ein recht knappes Wollkleid und eine hautfarbene Strumpfhose anzog. Kaum trat ich durch die Tür, war ich mir schon nicht mehr so sicher. Immerhin war es draußen doch recht kalt. Die zehn Minuten zur U-Bahn durch Berlin-Neukölln belehrten mich eines Besseren. Nicht die Kälte ließ mich meine Entscheidung bereuen, sondern die Anmachsprüche einiger junger Männer. Die waren nicht beleidigend, aber ich hätte doch gerne auf sie verzichtet. So stellte ich dann auch sicher, dass ich am Ende der Party nicht den Weg nach Hause alleine zurücklegen musste. Nach dieser Episode erinnerte ich mich an einen Artikel, den ich vor Kurzem in der taz gelesen hatte und in dem es darum ging, dass Frauen „lieber nicht öffentlich bewusstlos“ sind.

Es ist etwas anderes, von anderen Menschen als Mädchen/Frau und nicht als Junge/Mann wahrgenommen zu werden und sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Das wurde mir schnell klar, als ich anfing, das lang gehegte Bedürfnis, als Frau zu leben, in die Tat umzusetzen. Eine der ersten Erfahrungen war, dass mir auf Gehwegen weniger Platz gelassen wurde und ich häufiger (Männern) ausweichen musste. Und dann wurde mir anfangs, als mir meine männliche Vergangenheit noch sehr anzusehen war, auch schon mal „Transe“ entgegengezischt.

Das war vor vier Jahren und in Berlin wurde über einen Aktionsplan gegen Homophobie diskutiert. Ich war da frisch gewählte Landesbeirätin bei Lambda Berlin/Brandenburg, einem Jugendverband für lesbische, schwule, bisexuelle und Trans*Jugendliche. Ich diskutierte mit den anderen darüber, warum der Begriff der Homophobie nicht einfach auf Trans*Leute übertragen werden könnte. Bei Homophobie geht es schließlich um die vermutete sexuelle Orientierung des Opfers und nicht um die Geschlechtsidentität. Als entsprechendes Pendant gibt es daher den Begriff der Transphobie.

Im Laufe meines Lebens bin ich schon von beidem betroffen gewesen. Als Junge, der einigen zu weiblich war, habe ich viele Schimpfworte zu hören bekommen. Allerdings passierte das auch schon lange, bevor ich überhaupt darüber nachdachte, auf wen ich überhaupt stand. Und das macht die Begriffe Homophobie und Transphobie auch so schwierig. Ihre Perspektive entspricht nicht automatisch der des Opfers. Jemand, die_der als „Schwuchtel“ oder „Kampflesbe“ beschimpft wird, kann genauso gut hetero sein, und jemand, die_der als „Transe“ angepöbelt wird, muss nicht trans* sein.

Inzwischen frage ich mich sogar, ob der Kern solcher Diskriminierung nicht vielmehr eine Form von Weiblichkeitsfeindlichkeit/-geringerschätzung ist, die letztlich unabhängig vom körperlichen Geschlecht einer Person ist, weshalb ich auch nicht von Frauenfeindlichkeit schreibe. Eine solche Betrachtungsweise ist natürlich alles andere als geschlechtsneutral, aber das Problem ist ja eben, dass Geschlecht nicht neutral ist. Auch wenn ich es gerne so hätte.

Die Autorin studiert Geschichte Foto: privat