denkmal dubios (6)
: Mitteldeutschland am Bredenplatz

In einem unscheinbaren Winkel zum Bredenplatz, eingequetscht zwischen Hauskante und Küchenfenstern, künden vier Schiefertafeln von fernen Gegenden: Ostpreußen, Pommern, Schlesien und „Mitteldeutschland“. Letzteres ist mit symbolträchtigen Metallringen an „Westdeutschland“ geklammert. Mit dem Zusatz „3.10.90“.

„Wir waren selber überrascht, als wir das eines Tages bemerkten“, sagt Jutta Malla, die man als Bremer Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen ja eigentlich für zuständig hält. Die Tafeln seien nämlich auf rein private Initiative des Hausbesitzers Heinrich Ahrens angebracht worden. Dabei sei Ahrens gar kein Vertriebener – „das muss ich besonders anerkennen“.

Ihr Kollege Hinrich Lohmann weiß sogar, dass der kürzlich verstorbene Ahrens ein Bremer „in 13. Generation“ war – als Vorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen-Mitte hat Lohmann die Geschichte des Denkmals sorgfältig recherchiert. „Mitte“ bezieht sich dabei übrigens nicht auf Ostpreußen, sondern Bremen. Denn auch Bremerhaven hat eine eigene ostpreußische Landsmannschaft, in Bremen-Nord hingegen haben sich die Ostpreußen mangels Masse mit den Westpreußen zusammen getan. Insgesamt 2.000 Mitglieder hat der Bremer Vertriebenenverband, wobei aber gut die Hälfte aus den mittlerweile eingemeindeten Russlanddeutschen besteht.

Zurück zum Bredenplatz: Weil durch die Klammern die nicht-wiedervereinigten Gebiete optisch ins Hintertreffen gerieten, ließ Ahrens 1990 um die Ecke noch mal drei dicke Namenszüge montieren: „Ostpreußen“, „Pommern“ und „Schlesien“: eine Mahnung in Blockbuchstaben. Das zuständige Ortsamt Mitte lehnte die Anbringung zunächst ab, „um polnische Gefühle nicht zu verletzen“, musste nach eingehender Prüfung der Rechtslage aber nachgeben.

Dabei kann man dem seligen Versicherungskaufmann Ahrens wohl kaum eine reaktionäre Gesinnung unterstellen. Immerhin erinnerte er mit einem Schaukasten und einem vergilbten Artikel aus dem „Neuen Deutschland“ vom 28.10.1970 auch an Friedrich Engels, der im zerbombten Vorgängerbau der Martinistraße 22 drei Jahre als Lehrling eines Kaffeekaufmanns verbrachte – und sich ansonsten offenbar ausgiebig im nahe gelegenen Ratskeller amüsierte.

Auch der See- und Strandräuber Balthasar von Esens hat über dem rückwärtigen Eingang seine Spuren hinterlassen. Und der wurde seinerzeit (1538) ja schließlich auch vertrieben: Von den Bremern als den Mittelalter-Russen des Westens, die seine im Ostfriesischen gelegene Burg schleifen ließen. Henning Bleyl