Der Schatten des Diktators hängt über Togo

Zwei Monate nach dem Tod von Langzeitherrscher Eyadéma hat nach wie vor dessen vom Militär kurzzeitig als Nachfolger eingesetzter Sohn Faure Gnassingbé die reale Macht. Das belastet die bevorstehenden Wahlen

LOMÉ taz ■ Das Telefon in der Residenz des togoischen Präsidenten beantwortet eine tiefe Frauenstimme. „Den Präsidenten wollen Sie sprechen? Welchen?“ Na, Interimspräsident Abass Bonfoh. „Der ist hier nicht zu erreichen.“ Wer dann? „Ach, Sie meinen Faure Gnassingbé. Bleiben Sie dran, ich verbinde Sie mit seinem Vorzimmer.“

Faure Gnassingbé, Sohn des am 5. Februar verstorbenen Diktators Gnassingbé Eyadéma und vom Militär zunächst als Nachfolger eingesetzt, trat zwar am 25. Februar zurück, damit eine Interimsregierung freie Wahlen organisiert. Doch „der Junge“ empfängt nach wie vor Staatsgäste und fliegt in der Präsidentenmaschine durch Afrika. Kein Zweifel: Der 39-Jährige regiert. Und mit ihm Togos Militär. Überall in Lomés Innenstadt sind bewaffnete Soldaten stationiert. Am Mittwoch schossen Sicherheitskräfte mit Tränengas auf oppositionelle Demonstranten, die eine Wahlverschiebung wegen mangelhafter Wählerlisten forderten; es gab Straßenschlachten.

„Sie haben wieder Leichen aus der Lagune gezogen, darunter ein Kind – der Junge war gerade mal 12 Jahre alt“, erzählt Gabriel, ein gebeugter, grauhaariger Bewohner des Slumviertels Bé, Hochburg der Opposition. In der schon um neun Uhr früh brennend heißen Sonne steht Gabriel am Kiosk von Dorine. Direkt vor dem Wirtschaftsministerium baut die Mittvierzigerin jeden Morgen ihren Zeitungsstand auf und hängt Oppositionsblätter aus. Zwanzig, dreißig Togoer stehen davor und diskutieren.

Alles dreht sich jetzt um die Präsidentschaftswahlen vom 24. April. „Die Opposition hat sich zum ersten Mal dazu durchgerungen, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen“, frohlockt Yawovi Agboyibo, ein historischer Anführer des Widerstands gegen die Eyadéma-Diktatur. Seit mehr als zwanzig Jahren hat der Rechtsanwalt für freie Wahlen gekämpft. Agboyibo wurde gefoltert und inhaftiert. 1993 zeichnete ihn Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit dem „Deutschen Afrika-Preis“ aus. Heute sitzt er in seiner Anwaltskanzlei, ein paar hundert Meter Luftlinie von Dorines Zeitungsstand entfernt, und zieht die Fäden der Opposition. „Wir brauchen den einen Kandidaten, der die ganze Bevölkerung mitreißt“, sagt er.

Der, der die Bevölkerung mitreißen könnte, darf nicht kandidieren: Gilchrist Olympio, Chef der größten Oppositionspartei UFC (Union der Kräfte für den Wandel), lebt die meiste Zeit im Exil. Wie Faure Gnassingbé ist auch Gilchrist Olympio ein berühmter Sohn: Sein Vater, der erste Präsident Togos, wurde 1963 bei einem Putsch unter Eyadémas Mitwirkung ermordet.

An seiner Stelle soll es nun ein 75-Jähriger richten: Emmanuel Bob Akitani, Nummer zwei der UFC und jetzt gemeinsamer Kandidat des von Agboyibo geführten Oppositionsbündnisses. „Wir müssen auf die Armee aufpassen“, analysiert Agboyibo. „Wenn sich abzeichnet, dass wir gewinnen, werden die Generäle alles tun, um die Macht des Regimes zu verteidigen.“ Wer von Nachbarn als Regierungskritiker denunziert wird oder bei Demonstrationen auffällt, muss mit nächtlichen Überfällen von Schlägertrupps der Regierungspartei rechnen. Sie dringen in Häuser ein, prügeln, vergewaltigen und legen Brände. „Das sind Polizisten und Soldaten ohne Uniform“, so Agboyibo.

Doch nicht alle Regimegegner sind geeint. „Agboyibo, Bob Akitani – die sind doch viel zu angepasst und, Pardon, viel zu alt“, kritisiert der 24-jährige Blaise, der in Bé lebt und seit Eyadémas Tod bei jeder Demo mitgelaufen ist. Zwietracht geht bis in die Familie Olympio hinein: Harry Olympio, der 44-jährige Neffe von Gilchrist, tritt gegen die Opposition als „dynamischer und jugendlicher Kandidat“ an. Das hält Blaise für einen schlechten Scherz. „Der greift doch nur nach der Macht.“ MARC ENGELHARDT