Russen mit Genderbrille

Männer kriegen mehr vom Landes-Kuchen

„Da können wir uns von den Ländern des Südens etwas abgucken“, behauptete Christiane Friedrich vielversprechend. Die Staatssekretärin von Bärbel Höhn, grüne Umweltministerin, eröffnete in Köln eine zweitägige internationale Fachtagung der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema „Gender Budgeting“.

Die geschlechtergerechte Verteilung öffentlicher Gelder ist in NRW eine Utopie: Eine Studie ergab, dass 80 Prozent der Wirtschaftsförderung Männern zugute kommt. In anderen Bereichen sind es vorwiegend Männer, die Kosten verursachen: 77 Prozent der von der Polizei ermittelten Tatverdächtigen sind Männer. Seit der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 sind Staaten verpflichtet, ihr Geld gerecht verteilen.

Doch mit der tatsächlichen Umsetzung hapert es in den meisten Ländern, so auch in Deutschland. „Hier gibt es kein Gender Budgeting“, urteilt Birgit Erbe von der Münchner Gender Budget Initiative, die sich gegründet hatte, als 2002 der Haushalt der bayerischen Landeshauptstadt auf Kosten von Frauen- und Mädchenprojekten konsolidiert werden sollte. „Haushaltskürzungen gehen meist zu Lasten der Frauen“, sagt Erbe und fordert deshalb, dass analysiert werden muss, wie sich die Höhe der Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand auf Frauen und auf Männer auswirkt. „Diese Gender-Analyse ist aber nur ein erster Schritt“, sagt Erbe. In Deutschland sei sie inzwischen etabliert, aber das eigentliche Gender Budgeting, das Anpassen des Haushaltes an die verschiedenen Lebenssituationen der Geschlechter, fehle.

Auch in anderen Länder steckt die Berücksichtigung von Geschlechterinteressen noch in den Kinderschuhen. Olga Savostjanova ist extra vom Polarkreis angereist, um den etwa 50 Tagungsgästen – darunter einer Hand voll Männern – begeistert zu berichten, wie weit man in der russischen Republik Komi gekommen ist. „Wir haben den Haushalt für 2005 komplett durchgecheckt und hatten dabei die Gender-Brille auf“, sagt Savostjanova. Welche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen gezogen wurden, verrät sie leider nicht.

Lucía Pérez Fragoso aus Mexiko wird konkreter. Die ehemalige Wirtschaftsprofessorin engagiert sich seit vielen Jahren für Geschlechtergerechtigkeit in ihrer mittelamerikanischen Heimat. „Wir haben lange und hart gearbeitet bis wir es geschafft haben, dass der Gender-Aspekt in die Politik einfließt“, resümiert Fragoso stolz. Aber auch beim nächsten Schritt, dem Gender Budgeting, kann ihre Initiative erste Erfolge verbuchen. Nun gibt es klare Handlungsanweisungen an die Beamten, wie einzelne Budgets gendergerecht zu gestalten sind. Ob die zumeist männlichen Beamten sich daran halten, bleibt auch hier offen.

Das Versprechen der Staatssekretärin Friedrich wurde nicht erfüllt. Viel gibt es nicht zu lernen von den anderen. Aber zumindest von dem Enthusiasmus, mit dem die Mexikanerin und die Russin ihren Vortrag gehalten haben, und der Energie, die sie ganz offensichtlich in das Thema Gender Budgeting stecken, kann sich die Politik hier etwas abgucken.

CHRISTIANE MARTIN