LESERINNENBRIEFE
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Bundespräsident wird Zielscheibe

■ betr.: „Bild dir deine Meinung“, taz vom 6. 1. 12

Endlich war die öffentliche Diskussion am politisch relevanten Punkt angelangt: Die erste Erschütterung nach den Nazi-Morden war überwunden, die These von den „isolierten Spinnern“ hatte sich als Augenwischerei entpuppt, nun wurden Fragen gestellt! Es ging um Verantwortlichkeiten für die „Pannenserie“ und um personelle Konsequenzen, um die Nazi-Vergangenheit der Nachrichtendienste und ihre Kontrolle, um Verbindungsleute in den Institutionen und um Strafvereitelung im Amt.

Das alles ist plötzlich „Schnee von gestern“! Ein Bundespräsident wird Zielscheibe, der menschliche Schwächen aufweist, aber immerhin in Fragen wie Migration und Nazi-Morde eindeutig Stellung bezogen hat. Gibt es Kreise, denen dieses Engagement lästig war? Wie wird aus dem „Musterknaben“ das „Enfant terrible“? Geht es wirklich nur um Geld? Wir wissen doch, dass in der Berichterstattung – gerade bei Bild – oft „Sensationen“ aufgebauscht werden, um andere, sehr viel wesentlichere Probleme in den Hintergrund zu drängen. Übersteigerte Häme, polemische Hetze und Sündenbockstrategien sind stets ein verräterisches Kennzeichen dieser Taktik und sollten misstrauisch stimmen! ANNE ARNOLD, Berlin

Wachstum ist endlich

■ betr.: „Glücksgefühl statt Wirtschaftswachstum“, taz vom 9. 1. 12

Diesen Artikel sollte unbedingt Philipp Rösler lesen. Denn die FDP setzt ja nun nicht mehr auf Steuersenkungen, sondern auf Wachstum, Wachstum und noch mal Wachstum. Auch ich bin der Meinung, dass Wachstum endlich ist und irgendwann kein Wachstum mehr sein kann. Auch die Ressourcen sind dazu nicht vorhanden. Hoffentlich wird das vielen Mitmenschen bewusst.

MONIKA MICHALSKI, Stuttgart

Glück ist subjektiv

■ betr.: „Glücksgefühl statt Wirtschaftswachstum“, taz vom 9. 1. 12

Ich halte eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum bzw. Bruttoinlandsprodukt als Indikator für Wohlstand für sehr wichtig. Dennoch birgt die Fokussierung auf Glücksempfinden große Risiken. Denn die Wahrnehmung von Glück ist zu großen Teilen subjektiv.

Menschen passen ihre Erwartungen den ihnen angebotenen Möglichkeiten an – dies wird als adaptive Präferenzen bezeichnet. Ein Mensch z. B., dem in der Schule täglich vermittelt wird, dass er in der Wirtschaft höchstens für ungelernte Tätigkeiten zu gebrauchen ist, wird über einen Ausbildungsplatz wahrscheinlich sehr froh sein. Ein Kind von einer Professorin und einem Lehrer, welches das Abitur nicht schafft und gerade noch so denselben Ausbildungsplatz bekommt, wird darüber wohl viel weniger erfreut sein. Politisch ließe sich daraus die gefährliche Forderung entwickeln, dass Menschen möglichst niedrige Erwartungen vermittelt werden sollen, da diese sich so auch mit wenig zufriedengeben. Dies kommt dann der herrschenden Klasse zugute, die ihre Privilegien mit Verweis auf die glücklichen „einfachen Menschen“ verteidigen kann. So kann die Fokussierung auf Glück strukturelle und gesellschaftliche Defizite verdecken. LUKAS GROTEN, Bielefeld

So steht’s in EU-Richtlinien

■ betr.: „Schönheit ohne Qualitätssiegel“, „Das künstliche Hüftgelenk wird schon halten“, taz vom 9. 1. 12

Sie schreiben, französische Medien hätten herausgefunden, dass Hersteller von Medizinprodukten die privaten Qualitätsprüfer selbst wählen und bezahlen. Das braucht aber niemand „herausfinden“ und ist insofern auch kein Skandal, denn das steht so in der EU-Richtlinie 93/42/EWG und den nationalen Gesetzen. Der Punkt ist auch nicht, dass dieses System nicht funktionieren könnte (man kann sich ja auch aussuchen, ob man sein Auto zum TÜV bringt oder zur Dekra, und zahlen darf man auch), sondern warum es in diesem Markt nicht funktioniert hat. Außerdem unterscheiden sich Arzneimittel und Medizinprodukte gerade nicht darin, wer die klinischen Studien in Auftrag gibt und auswertet, nämlich die Hersteller. Was aber auch bei Arzneimitteln ein Problem ist. Und schließlich: Zur CE-Konformitätsbewertung gehört (übrigens erst 2010 verschärft) zwingend eine „klinische Bewertung“, und bei Implantaten ist das praktisch immer eine klinische Studie. Somit sagt das CE-Zeichen sehr wohl etwas aus über die „patientenrelevante Wirksamkeit und Verträglichkeit“. Aber eben des getesteten Originalprodukts und nicht der vermarkteten, gepanschten Billigware. FRANK KÜSTER, Miltenberg