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: Saxofon und schnelle Autos

Selbst J. Baptist Kerner entdeckt Gott als In-Thema – und lädt sich Marcel Bordon ins „Aktuelle Sportstudio“ ein

Kerner, das pfiffige Kerlchen, war wieder einmal ganz nah am Trend der Zeit. Nach einer Woche des großflächigen TV-Kreuzzugs – Deutschland Fernsehsender zeigten ja offenbar freiwillig (oder auf göttlichen Befehl?) vorwiegend christliche Glaubensbrüder und deren Gerede über den einzig wahren Papst und Gott – zog der ZDF-Mann den Schluss: Gott ist ein Thema, das die Menschen bewegt! Ha! Und so lud er sich ein gläubiges Talk-Opfer ins „Aktuelle Sportstudio“. Es musste ein Brasilianer sein, die haben ja immer diese Jesus-T-Shirts an. Und so sprach Kerner mit Schalke-Verteidiger Marcelo Bordon über „den lieben Gott“ (Kerner). Im Gegensatz zu den simplen „Jesus gibt mir Kraft“-Parolen, die seine christlichen Landsleute gern äußern, verbreitete Bordon sogar ganz lustige Thesen. So erfuhr der sichtlich verdatterte Kerner, dass es sich nicht lohnt, für einen Sieg zu beten: „Das tun die aus der anderen Mannschaft doch auch. Was soll das bringen? Dann bete ich für Schalke und Cacau für Stuttgart!“, klärte Bordon den Moderator auf. „Gott weiß immer, was gut für mich ist.“ Er habe sich einmal „ein super Auto“ gekauft, erzählte Bordon. Gott habe dann aber gezeigt, dass das Auto „zu viel“ für ihn sei. Hihi! Wie viele Strafzettel für zu schnelles Fahren mag er in seiner Angeberkiste wohl kassiert haben, fragte man sich, bis Gottes Botschaft endlich bei ihm ankam?

Man war nun in einem Anfall von Großmut gewillt, Bordons christliche Schrullen sympathisch zu finden, doch es folgte ein böser Schlag: Christen müssen zwanghaft musizieren, man kennt das von Kirchentagen, auch Bordon kennt in diesem Punkt keine Gnade. Er spielt Saxofon. Am Samstag bei Kerner durfte der Brasilianer sogar bei der Grand-Prix-Band „Allee der Kosmonauten“ mitdudeln. Es gebe nur einen wahren Gott, krähte da ein männliches Blondie ins Mikrofon. Jesus! Jesus! – und so weiter. Baptist Kerner grinste. Ja, Gott ist ein echtes In-Thema, wird er sich innerlich auf die gottesfürchtige Schulter geklopft haben.

Nachdem sich das Gefühl von Grauen gelegt hatte, blieb die Frage: Warum kommen eigentlich nur christliche Brasilianer zum Fußball spielen nach Deutschland? Gibt es in diesem riesigen, multikulturellen Land nicht einen so richtig schön unmoralisch verlotterten Fußballer? Oder vielleicht einen, der sich in interessanten, aus Afrika importierten Zauberriten auskennt? Es soll ja Menschen geben, die gegnerische Tore durch ihren Zauber vernageln können – durch Beträufeln mit einem magischen Elixier zum Beispiel soll das funktionieren. Oder durch vergraben von Hühnerkrallen im Strafraum.

Auf jeden Fall wäre das eine schöne Abwechslung zu all dem Christenzauber.

CHRISTIANE MITATSELIS