20 auf einen Streich

Die Hartz-IV-Behörde in Buchholz schiebt Arbeitslose gruppenweise an privaten Bildungsträger Grone-Schule ab. Gewerkschaften und Arbeitsrechtler vermissen individuelle Beratung

Von Eva Weikert

Kürzlich flatterte Manfred S.*, wohnhaft in Buchholz bei Hamburg, ein Schreiben der örtlichen Hartz IV-Behörde ins Haus. „Ich möchte Ihnen ein Projekt zur Unterstützung der Arbeitsvermittlung vorstellen“, stand da drin mit der Aufforderung, in die Buchholzer Grone-Schule zu kommen. Was der Arbeitslose dann aber bei dem privaten Bildungsträger erlebte, sei, so Manfred S., „bestimmt nicht das, was die Bundesregierung versprochen hat“.

Berlin brüstet sich, mit der Hartz-Reform die Betreuung der Joblosen zu verbessern. Doch in der Nordheide ist das nur Theorie. Ohne Vorgespräche wurden dort mehr als 140 Arbeitslosengeld-II-Empfänger in 20er-Gruppen an die Grone-Schule abgeschoben.

In den seit Januar für die Umsetzung von Hartz zuständigen Arbeitsgemeinschaften (Arge) „erhalten alle Arbeitssuchenden Service aus einer Hand“, verspricht eine PR-Broschüre der Bundesregierung. „Wichtigster Begleiter bei der Suche nach Arbeit ist der persönliche Ansprechpartner“, steht dort. „Als Lotse“ sei er zuständig für die „umfassende Betreuung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt.“ Der Weg dorthin werde in einer „Eingliederungsvereinbarung“ mit der Arge vertraglich festgelegt, so tröstet Berlin alle ehemaligen Arbeitslosenhilfe-Empfänger, die durch die Kürzung der Stütze auf pauschal 345 Euro zum Sozialfall geworden sind.

Manfred S. sagt, dass er mit großen Erwartungen der Einladung in die Grone-Schule gefolgt sei. Der 43-jährige Bauingenieur ist seit fast vier Jahren arbeitslos. Auch eine Umschulung zum Webmaster hat ihm keinen Arbeitsplatz eingebracht. Schnell sei an jenem Morgen indes der „Frust“ über ihn hereingebrochen, „dass wieder kein Job rausspringen wird“.

Mit 20 anderen Betroffenen habe er „wie in der Schule“ vor zwei Grone- und einer Arge-Mitarbeiterin gegessen. „Wir haben den Leuten erklärt, warum Grone die Kompetenz zur privaten Arbeitsvermittlung hat“, so der Buchholzer Arge-Chef Bernd Ehlert, „und dass erwartet wird, sich in die Betreuung von Grone zu begeben.“ Vom Träger vor-unterschriebene Eingliederungsvereinbarungen wurden zum Unterzeichnen an die Gruppe verteilt. Auch Migranten seien dabei gewesen, sagt Manfred S.: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die den Vertrag verstanden haben.“ Anschließend habe er ein „Kurzprofil“ abgeben sollen – ein Formular, auf dem Tätig- und Fähigkeiten anzukreuzen waren: „Das war denn wohl das Profiling.“

Dem Hamburger Arbeitsrechtler Rolf Geffken ist über diese Praktiken entsetzt. Das „gemeinsame Vortreten“ stelle eine schwere Verletzung des Datenschutzes da, so der Anwalt. Die Vertraulichkeit der Jobberatung sei in der Gruppe nicht gewährleistet. Einzelberatung sei aber auch deshalb geboten, weil die Hilfe nach den Hartz-Gesetzen konkret auf den Betroffenen bezogen sein muss.

Darauf pocht auch der Hamburger Gewerkschaftsbund (DGB). Die Hartz-Gesetze schrieben „zwingend“ vor, ein „umfassendes und systematisches Profiling für jeden Betroffenen zu erstellen“, so DGB-Sprecherin Claudia Falk. Erst danach sei eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Qualifikation und private Lebenssituation ließen sich aber „nicht in Gruppensitzungen ermitteln“.

Zwar versichert der Buchholzer Arge-Chef, „Einzelgespräche kommen dann bei Grone“. Doch der DGB warnt, es sei „nicht möglich, private Dritte mit der Eingliederungsvereinbarung zu betrauen“. Denn diese dürften gar nicht über inbegriffene Leistungen der Kommune wie etwa Schuldnerberatung verfügen. Auch Anwalt Geffken kritisiert die Abgabe der Betreuung als „rechtswidrig“, weil damit öffentlich-rechtliche Aufgaben einer „unzuständigen“ Institution überlassen würden.

Arge-Chef Ehlert lässt sich von dieser Kritik nicht beirren: „Was wir machen, ist arbeitsrechtlich sauber.“ Allerdings habe die Arge „nicht die Kapazitäten“, Hartz IV „bilderbuchmäßig“ umzusetzen.

*Name geändert