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: Die Euphorie der Langweiler

Vor dem heutigen Match gegen Chelsea hat Bayern München das Halbfinale der Champions League zumindest verbal schon erreicht

Fußball ist ein gar seltsamer Sport. Manchmal kommen Mannschaften, die gerade noch ein fußballerisches Feuerwerk abbrannten, im nächsten Match daher, als liefen alle Spieler auf unsichtbaren Krücken herum. Andere, die eben noch so tot wirkten wie ein prähistorischer Fisch, wirbeln auf einmal übers Feld, als hätten sie über Nacht den kombinierten kreativen Geist von Platini und Beckenbauer inhaliert. Von den Münchner Bayern ist Letzteres nicht gerade zu erwarten, dennoch könnte es tatsächlich sein, dass sie heute Abend gegen den FC Chelsea (20,.5 Uhr, Sat.1) trotz des 2:4 im Hinspiel das Halbfinale der Champions League erreichen.

Wahrscheinlich ist das jedoch nicht, was auch die Vehemenz erklärt, mit welcher die Bayern-Verantwortlichen das Gegenteil behaupten. Natürlich ist es ihr gutes Recht, den Glauben an die eigene Chance zu verkünden und zu versuchen, den Gegner mit verbalen Tiraden zu verunsichern. Nur sollte man damit, um glaubhaft zu wirken, tunlichst in den Tagen vor dem Match beginnen, und nicht, wie ein völlig kopfloser Manager Uli Hoeneß („Wir müssen sie niedermachen“), unmittelbar nachdem man eine deftige Fußball-Lektion erhalten hat, sich glücklich schätzen darf, nicht mit fünf oder sechs Toren Unterschied verloren zu haben, und nur durch einen ergaunerten Elfmeter überhaupt noch im Rennen ist. In der Bundesliga, wo die Art der Bayern sattsam bekannt ist, mag so etwas durchgehen, international erscheint es sehr peinlich, sehr stillos, sehr verbissen, kurzum, sehr deutsch.

Etwas wahnhaft wirkten zuletzt sogar die Aussagen des sonst eher nüchternen Trainers Felix Magath, der am Samstag die zwei Tore gegen Gladbach in Hinblick auf das heutige Match zu einer Art Vor-Wunder hochstilisierte und im Übrigen davor warnte, „dass wir nicht zu euphorisch und zu leidenschaftlich drauflos stürmen dürfen“ nach einem eventuellen Führungstreffer gegen die Londoner.

Dass die Bayern zuletzt euphorisch und leidenschaftlich drauflos gestürmt sind, dürfte irgendwann in den Sechzigerjahren gewesen sein, was auch internationalen Beobachtern nicht entgangen ist. „In ihrer großen Ära waren die Bayern langweilig und haben gewonnen“, schrieb zum Beispiel das spanische Blatt El Mundo, „jetzt sind sie nur noch langweilig.“ Chelsea dagegen habe „Details gezeigt, von denen Bayern nur träumen kann“. Bedenklich aus Münchner Sicht vor allem, dass Chelsea trotz aller Abramowitsch-Millionen gar nicht mal so sehr die besseren Einzelspieler hat, sondern als Mannschaft haushoch überlegen war. Das lässt den Gastgebern – realistisch, also unbayernhaft, betrachtet – wenig Hoffnung für heute Abend. Andererseits: Fußball ist ein gar seltsamer Sport. Nicht immer triumphiert die bessere Mannschaft. MATTI LIESKE