Bergers Taschenspielertricks versagen

Nach dem 3:0 gegen Hansa Rostock wähnt sich der 1. FC Nürnberg aller Abstiegssorgen ledig, während bei den Mecklenburgern die zuletzt himmelhohen Hoffnungen auf den Klassenerhalt einen heftigen Dämpfer erhalten haben

NÜRNBERG taz ■ Es klappte nichts bei Rostock. Selbst die Hansa-Fans ernteten mit ihren Störeinlagen in Nürnberg nur Spott. Zu Beginn der 2. Halbzeit wollten einige mit Rauchfeuerwerk die Sicht im Frankenstadion trüben und stümperten dann doch nur die eigenen mitgebrachten Transparente in Brand. „Ihr seid zu blöd!“, höhnte es von der Kurve gegenüber, und als wäre das nicht schon Schmach genug, mussten die ungeschickten Pyromanen von der Küste auch noch drei Tore der Gastgeber verfolgen. Bei bester Sicht.

Auch Hansa hatte im Vorfeld der alles entscheidenden Partie um ein letztes Stück Hoffnung einige verbale Nebelbomben gezündet. Nach einem kurzen Aufbegehren durch neun Punkte in den letzten vier Spielen schoben die Hanseaten das Abstiegs-Nervenflattern kurzerhand den Franken in die Köpfe. Bei einem Sieg wären die schon abgeschlagen Geglaubten bis auf zwei Punkte herangerückt. „Der Druck auf Nürnberg ist sehr, sehr groß“, raunte Trainer Jörg Berger in bester Psychotaktiker-Manier. Doch nun sind es acht Punkte auf Nürnberg, sechs auf einen Nichtabstiegsplatz, und Rostock reibt sich fassungslos die Augen. Sie hatten tatsächlich an das Unmögliche geglaubt, waren auf ihre eigenen Taschenspielertricks reingefallen.

Jörg Berger saß nach der 0:3-Niederlage durch Tore von Maik Wagenfeld (59., 88.) und Marek Mintal (68.) in der Pressekonferenz wie ein durchschauter Hochstapler. Er muss sich wie der verhöhnte Rostocker Anhang gefühlt haben, als sein Kollege Wolfgang Wolf genüsslich sinnierte: „Klappern gehört zum Handwerk. Wir haben über Rostocks Äußerungen nur gelächelt und eine richtige Antwort gegeben, ganz unaufgeregt. Selbst wenn wir verloren hätten, wären wir ja immer noch vor Hansa.“ Jörg Berger blieb nichts weiter, als auf seinem Stuhl umherzurutschen und immer wieder die druckfrische Tabelle auf dem Tisch zu betrachten. Da Wolf noch viel zu erzählen hatte, übte sich Berger in Falten und Falzen.

Von der ihm eingepflanzt scheinenden Zuversicht blieb in Nürnberg nur ein dicker Flunsch. Er verspüre „keine Lust mehr zum Hoffnungspredigen“. Der immer Hoffende hofft nicht mehr. „Das war ein großer Schritt zurück. Jetzt ist es fast unlösbar“, sagte Berger. Man glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. Rostocks Kapitän Mathias Schober, eigentlich Bergers erster Agitator und Schönwetter-Sprecher, vermeldete gar, „dass man sich nun wenigstens gut verabschieden müsse“.

Nürnberg hat den mühsam auferstandenen Hanseaten einen ordentlichen Knüppel zwischen die Beine gehauen. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn sich Hansa davon wieder erholt. Die Bundesliga scheint im Osten ausgezählt. Nun bleibt nur noch Magdeburg als Bastion im Handball – der Rest fährt allenfalls zweite Klasse. Hansa wird sich in der nächsten Saison wohl mit den alten Kollegen aus Dresden, Cottbus und Aue krawallieren müssen. Das wirkt, als müsse man zurück in die DDR. Zehn Jahre hatte man sich gegen die Wirklichkeit gestemmt. Man kann dies als tragisch für den gepeinigten Landstrich bezeichnen.

Für die Franken verkündete Wolfgang Wolf einen „Neuanfang“. Die Serie von sieben sieglosen Heimspielen ist vergessen. „Rostock wird uns nicht mehr einholen“, versprach Wolf und plauderte dann mit den besänftigten Lokaljournalisten darüber, wie viel Mohnkuchen man essen könne, ohne eine positive Dopingprobe zu riskieren. „Zwei Stücke reichen schon“, behauptete Wolf mit ernster Miene und rührte vom bereitstehenden Backwerk sicherheitshalber nichts an. Dann wurde es ihm aber doch zu feierlich. „Es wird noch ein heißer Tanz“, schwenkte der Club-Trainer vom Kuchen-Kränzchen ab und versprach: „Es geht weiter. So lange bis uns der Drittletzte nicht mehr einholen kann.“ DIRK BÖTTCHER