Rasierklingen im Mund

Oliver Bierhoff, Nationalteam-Chef, co-kommentiert die Champions League bei Sat.1. Und das ist ein Problem

Über Hans-Dietrich Genscher hat Peter Glotz mal einen schönen Satz gesagt: Auf die Frage, ob es Tag oder Nacht sei, hätte man vom damaligen Außenminister nach kurzer Bedenkzeit zur Antwort bekommen: Der Mars ist ein schönes Gestirn. Bei der deutschen Nationalmannschaft gibt es auch so etwas wie einen Außenminister, den Team-Manager.

Im August 2004 hat diesen Job der Sat.1-Experte und Co-Kommentator Oliver Bierhoff übernommen. Bei dem Berliner Sender spielt der 36-Jährige schon seit Anfang 2003 den Fußballfachmann in der Champions League. Der ehemalige Nationalspieler beeindruckte schon vor dem Arrangement mit dem DFB mehr durch korrekte Kleidung als mit schonungsloser Kritik. Doch bei Spielen des FC Bayern München in der Königsklasse des Fußballs bewegt sich der Markenbotschafter eines weltweit operierenden Limonadenherstellers mit seinen Kommentaren auf rohen Eiern. Denn beim Rekordmeister-Club aus Süddeutschland sind zahlreiche Leistungsträger des National-Teams unter Vertrag, deren Wirken und Tun Bierhoff in seiner Funktion als Co-Kommentator kritisch beurteilen soll.

So geschehen vor einer Woche im Hinspiel der Bayern beim FC Chelsea in der 25. Spielminute: Vom klug kommentierenden Erich Laaser wurde der Sat.1-Experte auf die eklatante Zweikampfschwäche „seines“ Spielmachers Michael Ballack angesprochen. „Er muss mehr in der Mitte spielen“, gab der Team-Manager zu bedenken.

Ob Oliver Bierhoff sich selbst die Rasierklingen in den Mund gesteckt hat oder sie ihm vom Deutschen Fußballbund verordnet wurden, ist schwer zu sagen. Denn die zuständigen Auskunftgeber in dieser Angelegenheit scheinen beim DFB durch kenntnislose Mitarbeiter ersetzt zu werden. Zumindest dies ergaben mehrmalige taz-Anfragen. Aber das freundliche Sprechpuppen-Dasein Bierhoffs dürfte den Fußball-Verantwortlichen in Frankfurt nur recht sein.

Vielmehr müsste die ProSiebenSat.1 Media AG dagegen ein Problem haben mit einem Experten, der in seinen Einschätzungen derart auf Sicherheit spielt. Doch beim Sender will man in Bierhoffs Nähe zu den Nationalspielern einen „Vorteil“ und gar eine „Aufwertung“ sehen und sagt ansonsten: „Ich habe keine Lust, mich dazu zu äußern.“

So wird man auch heute Abend (20.15 Uhr), wenn Chelsea London in München zu Gast ist, mit Sätzen wie jenem aus der 71. Minute des Hinspiels ratlos zurückgelassen. Erich Laaser hatte Bierhoff gefragt, ob der FC Bayern beim Stande von 1:3 sein Heil nun in „Schadensbegrenzung“ oder in einem zweiten Tor suchen sollte. Bierhoffs Antwort: „Weder noch. Aber man sollte versuchen, noch ein zweites Tor zu machen.“ Einer politischen Karriere scheint nichts mehr im Wege zu stehen. MANUEL KRONS