Der Krieg auf dem T-Shirt

AUSSTELLUNG Die Ausstellung „Patch this!“ zeigt, wie Mode in Subkulturen für Verständigung und Abgrenzung sorgt. Dabei gibt es auch Kurioses zu sehen

Durch jahrelange Abnutzung und Reparaturen entstand eine Collage aus Flicken und Aufnähern

von Radek Krolczyk

Für Umberto Eco war sie Mittel der „Semiotic Warfare“, der Kriegsführung auf der Zeichenebene – die Rede ist von der Kleidung der Sub- und Jugendkulturen. Seit je dient sie zur Abgrenzung und Identifikation. Mit Aufnähern, Schriftzügen und Buttons werden Abneigungen und Sympathien bekundet. „Nazis raus!“ und „Punk‘s not Dead“ auf der Jacke gehören zu den Klassikern. Die Galerie „Flieseneck“ in der Spedition widmet diesen Kleidungsstücken mit „Patch this!“ eine Ausstellung.

Schon in den 30er-Jahren trugen die Edelweißpiraten, ein loser Zusammenhang antifaschistischer Raufbolde, ihre Anstecker unter ihren Kragen und vermöbelten die Jungs mit den braunen Hemden. Die Mods im England der 50er-Jahre trugen Anzüge, um ihre Herkunft aus der Arbeiterklasse zu konterkarieren. Roger Daltrey von The Who löste einen Skandal aus, als er die britische Fahne zu einem Hemd umnähen ließ und damit auftrat.

Keine Jugendkultur aber ging bis dahin so weit wie die Punks Ende der 70er-Jahre, zunächst in England, bald schon überall. Sie führten den Krieg, von dem Umberto Eco sprach, indem sie das Zeichensystem der etablierten bürgerlichen Kultur gründlich durcheinanderbrachten – nicht allein mit den berühmten Sicherheitsnadeln im Ohrläppchen: Männer wie der Bassist der britischen Band Siouxsie & The Banshees, Steve Severin, trugen sichtbar Damenunterwäsche. Und Sid Vicious von den Sex Pistols entleerte das Hakenkreuz seiner Bedeutung, indem er es auf seinem T-Shirt trug, weniger als Bekenntnis, denn als Trophäe.

Die Ausstellung in der Spedition betreibt nun keinen Geschichtsunterricht. Zu sehen sind vielmehr Kleidungsstücke, Buttons und Taschen, die aus zeitgenössischen subkulturellen Zusammenhängen stammen. Wobei die Protagonisten schon die eine oder andere Lederkutte aus ihrer eigenen Vergangenheit eingereicht haben. Über szenetypische E-Mail-Netzwerke, Webseiten und Verteiler hatten die Kuratoren von „Patch this!“ aufgerufen, Kleidungsstücke aus privaten Beständen für die Schau zur Verfügung zu stellen.

Das Ergebnis ist eine schöne und sehr vielfältige Ausstellung, die mit Kuriositäten nicht spart. Das mag daran liegen, dass in der Spedition fast ausschließlich Kleidung gezeigt wird, die vor allem durch Eingriffe ihrer Träger zum szenetauglichen Stück Textil wurde: Bundeswehrrucksäcke etwa, die bei Sprayern sehr beliebt sind, weil sie so viel Fläche haben, die man bemalen kann. Ein Sprayer brachte den Ausstellungsmachern Kleidungsstücke, die er beim Malen verwendet. Erzählte, dass er in fremden Städten Anschluss zur Graffiti-Szene bekomme, indem er nach Personen mit farbig besprenkelten Schuhen Ausschau halte, berichtet Hans-Georg Schäfer, Co-Kurator der Ausstellung.

Ein sehenswertes Exponat ist auch die Hose, die ein Punk vorbeibrachte. Durch jahrelange Abnutzung und Reparaturen entstand mit der Zeit eine wunderbare Collage aus Flicken und Aufnähern, die an manchen Stellen die Stärke von fast einem Zentimeter hat. Besonders die selbst entworfenen Exponate lassen erkennen, dass die Gestaltung der eigenen Bekleidung auch eine Art Selbstermächtigung ist. Die Träger und Trägerinnen wollen sich nicht mit dem zufrieden geben, was die Mode vorgibt, und gestalten nach ihren eigenen Vorstellungen, was sie tragen. So sind in der Ausstellung aus LKW-Schläuchen gefertigte Korsagen und handgesiebdruckte Damenslips zu sehen, auf denen eine Pistolenlauf und der Schriftzug „Shooting Cunt“ prangt.

Zur Eröffnung der Ausstellung spielt die Bremer Noise-Band Doombruder.

■ Vernissage: Samstag, 19 Uhr, Ausstellung: bis 10.2., Di–Fr 14–18 Uhr, Spedition