FRANZISKA
SEYBOLDT LUSTOBJEKTE
: Und von Beruf: Ringmensch

Würden statt Schnörkel und Namen Blutgruppen und Adressen in Eheringe graviert, hätten es Ärzte leichter. Neue Arbeitsplätze gäbe es außerdem

Jedes Jahr heiraten in Deutschland hunderttausende Menschen. Neu ist, dass meine Freunde dazugehören. Niko und Anna sah ich einige Zeit nach ihrem Eheversprechen wieder, und nachdem ich die Ringe gebührend bewundert hatte (Farbe, Form, Dezenz), fragte ich nach der Gravur.

Niko musste einen Moment nachdenken, bis ihm einfiel, dass man Ringe ausziehen kann. Wir lasen: das Datum der Hochzeit und ihre Namen, in Schnörkelschrift und durch ein Plus verbunden. Eine sinnvolle Erinnerung, sollte man mal betrunken unterm Tisch liegen und nicht mehr wissen, dass man verheiratet ist, geschweige denn mit wem. Wer Niko kennt, weiß, dass das vorkommen kann. Also das Unterm-Tisch-Liegen.

Wäre es nicht effizienter, überlegten wir, wenn in seinem Ring Annas Handynummer stünde, nur für den Fall, dass Niko ausgeraubt würde oder einen Unfall hätte. Das würde die Arbeit der Ärzte doch ungemein erleichtern. Außerdem müsste der Ring natürlich Nikos Adresse und Blutgruppe enthalten und angeben, ob er irgendwelche Allergien hat oder Organspender ist. Technisch sollte das kein Problem sein, denn wer einen Namen auf ein Reiskorn schreiben kann, ist auch imstande, ein komplettes Testament in einen Ring zu fräsen. Nebenbei würden neue Arbeitsplätze mit einer schönen Berufsbezeichnung geschaffen: Herr der Ringe, oder, gegendert: Ringmensch.

Langsam kamen wir in Fahrt. Was wohl zu Guttenberg als Inschrift für seinen Ehering wählte? Womöglich den Namen seiner Mutter. Einfach Vatis Ring als Vorlage genommen, kopiert, fertig. Und Wulff, wer weiß: „Über jede Affäre erhaben“? Oder: „Bis dass der Tod uns scheidet“?

Im Judentum ist das einfacher. Da gibt es klare Regeln: ein schlichter Goldring, ohne Stein, ohne Gravur. Er ist ein Wertgegenstand, der vor drei Zeugen vom Besitz des Mannes in den Besitz der Frau übergeht und damit die Ehe besiegelt. Wenn das mal nicht die Lösung für uns krisengeschüttelte Europäer ist – der Trauring als Geldanlage. Wiederverwertbar und ökologisch korrekt. Und nachhaltiger als jede Ehe.

Die Autorin ist Mitarbeiterin von taz.de Foto: privat