Wahlkampf-Koalition für Mindestlohn

SPD und Grüne wollen den öffentlichen Druck im Wahlkampf nutzen, die Union zu einem Gesetz gegen Lohndumping zu bewegen. Dazu müssten aber auch die mit Hartz IV verschärften Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose neu diskutiert werden

BERLIN taz ■ Wahlkampf kann produktiv sein, glauben die Grünen. Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wolle die Koalition CDU und CSU dazu bewegen, im Bundesrat einer neuen Mindestlohnregelung zuzustimmen. Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Thea Dückert sagte gestern zur taz: „Bis zum 22. Mai gibt es vielleicht eine Aussage der Union, dass sie mitmacht.“ Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer erklärte, die Chancen für Mindestlöhne auch außerhalb des Baugewerbes „hängen jetzt vom öffentlichen Druck ab.“

Auch nordrhein-westfälische CDU-Politiker wie der Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann müssen derzeit zu Hause erklären, was die Union gegen Lohndumping durch osteuropäische Arbeiter unternimmt. Zwar sind Union wie Koalition und die meisten Gewerkschaften gegen einen staatlich definierten Mindestlohn. Doch signalisierte CDU-Chefin Angela Merkel gestern, dass die Union eine Ausweitung des Entsendegesetzes nicht blockieren werde. Dazu verlangte Merkel aber von der Regierung konkrete, sprich: statistische Auskünfte über Missbräuche.

Die SPD ließ gestern weiter offen, auf welche Bereiche sie das Entsendegesetz ausweiten will – „vielleicht sogar auf alle“, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter gestern. Eine Taskforce aus Finanz- und Wirtschaftsministerium werde dem Bundeskabinett am Mittwoch erste Vorschläge dazu machen.

Das Entsendegesetz gilt bislang im Bau. Demnach dürfen weder ausländische („entsendete“) noch deutsche Arbeiter unterhalb von Tariflöhnen beschäftigt werden. Zur sinnvollen Ausweitung müssten zwei Bedingungen erfüllt werden: Das Gesetz muss auch Branchen erfassen, die größtenteils überhaupt nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Und es muss regionale Tarifgefälle berücksichtigen. Dann könnten die von Gewerkschaften und Arbeitgebern festgelegten unteren Lohngrenzen als Mindestlöhne gesetzlich gesichert werden. So würden gerade die schwächsten Arbeitnehmer vor Lohndumping geschützt.

Dann aber, erklärten die Grünen gestern, muss die Union auch wieder über die Zumutbarkeitsregeln für Langzeitarbeitslose reden. Denn das seit Jahresbeginn geltende Hartz-IV-Gesetz verlangt, dass Arbeitslose auch unter Tarifniveau beschäftigt werden können. Dies hatten CDU und CSU durchgesetzt. Mindestlöhne aber müssten auch für Langzeitarbeitslose gelten.

Nicht ganz klar ist aber noch, ob auch die Koalition es ganz oder nur aus Wahlkampfgründen ernst meint mit dem Schutz der verwundbarsten Arbeitnehmer vor Lohndumping. Eine von der SPD im vergangenen Jahr angezettelte Mindestlohndebatte jedenfalls blieb folgenlos und sollte die Gewerkschaften beschäftigen. UWI

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