Schule an der kurzen Leine

Über mehr Schulautonomie in Hessen ließ sich die CDU informieren – in Bremen steht das auf dem Papier seit 1994. Wo die Schulen jetzt mehr Autonomie bekommen sollen, ist offen – klar ist, dass die Koalition die Schulleiter in ihrer Rolle stärken will

Bremen taz ■ „Schulautonomie“ ist das Stichwort, den Schulen die Verantwortung für ihre Arbeit übertragen. Das steht zwar seit 1994 im Bremer Schulgesetz, umgesetzt ist es aber bis heute nicht. Die CDU hatte daher für eine Anhörung am Mittwoch die hessische Kultusministerin Karin Kiese (CDU) eingeladen, die über die Bemühungen in ihrem Bundesland berichtete. Und die Bremer Bildungsdeputation berät Ende April über ein neues Schulgesetz – der seit Dezember vorliegende Entwurf ist nach heftiger Kritik in den letzten Tagen überarbeitet worden. Nach dem korrigierten Entwurf soll die Schulkonferenz, in der Lehrer, SchülerInnen und Eltern sitzen, nicht mehr nur „ein“, sondern „das Organ gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung der an der Schule beteiligten Personengruppen sein. Sie ist oberstes Entscheidungsorgan der Schule...“

Damit trägt das Bildungsressort offenbar der Kritik Rechnung, es wolle die demokratische Mitwirkung reduzieren. Keinen Kompromiss aber gibt es in den Punkten, durch die die Schulleitung gestärkt werden soll. „Schulleiter erhalten zukünftig eine leitende Rolle“, fasste der CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer die Änderung des Lemke-Entwurfes zusammen. Gestrichen werden sollen Sätze wie der aus § 63 des Schulverwaltungsgesetzes, nach dem der Schulleiter „zur ständigen Kooperation ... verpflichtet“ sei, stattdessen wird in dem Absatz des neuen Schulgesetzes geregelt werden, dass seine „Erklärungen und Verpflichtungen ... unmittelbar verbindlich“ sein sollen. Auch bei der Auswahl der geeigneten Leiter soll weniger Proporzdenken der Gremien und mehr professionelles Führungskräfte-Management zum Zuge kommen. Wenn Schulleiter dies kritisieren, dann scheine ihm dahinter die „Angst vor der eigenen Verantwortung zu stecken“, meinte Rohmeyer.

Aber wie viel Autonomie lässt die Bildungsbehörde den Schulen denn wirklich nach dem neuen Gesetz? Der Bremer Schulleiter Helmut Zachau, ehemals grüner Bürgerschaftsabgeordneter, erinnerte daran, dass er selbst vor drei Jahren in einer Arbeitsgruppe im Auftrag der Schulbehörde ein Modell für Schulautonomie entwickelt hatte. Das Papier wanderte auf Geheiß beider Koalitionsfraktionen in den Papierkorb. „Es hat sich seitdem nichts bewegt, außer dass wir mehr Reglementierung bekommen haben“, klagte er. Wenn die Schulbehörde jetzt von „mehr Autonomie“ rede, dann erscheine ihm das ein Verhalten nach dem Motto „links blinken und rechts abbiegen“. Eine Schulleiterin aus Bremen-Nord meinte, in dem Gesetzentwurf stehe für die Autonomie der Schulen „nichts Neues“ – nur bürde es ihnen jede Menge „Sachbearbeiter-Tätigkeiten“ auf, weil die Behörde immer mehr Kontrollanforderungen formuliere. Sie bezweifelte den Sinn des Kontroll-Aufwandes, da die Gehirnforschung inzwischen herausgefunden habe, dass 50 Prozent der Lernfähigkeit eines Kindes bei der Geburt schon feststehe und die ersten Lebensjahre über weitere 30 Prozent entschieden – für die Schulzeit blieben sowieso nur 20 Prozent Einflussmöglichkeit.

Jürgen Burger von der GEW hatte das Thema der „transparenten“ Leistung einer Schule durch Veröffentlichung der Vergleichstest-Ergebnisse aufgebracht – in einem Land mit ganz engem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Leistungsstand würden solche Tests vor allem zeigen, wie die soziale Zusammensetzung in einer Schule ist. Die Schulverwaltungsgesetz zu ändern, sei „das Billigste, was man machen kann“ kritisierte Burger von der GEW. Erfolgreiche Pisa-Länder würden deutlich mehr Geld für die Schulen ausgeben und hätten eine gemeinsame Beschulung bis zur 8. oder 9. Klasse.

Die hessische Kultusministerin Karin Kiese hatte über die ersten Schritte und Modelle, die in Hessen stattfinden, berichtet. „Der Weg ist sehr, sehr lang“, formulierte sie. Die Sachmittel und gerade zehn Prozent des Personalbudgets können die Modellschulen derzeit „selbstverantwortlich“ verteilen. Wie weit die Autonomie in den in Bremen von der CDU geforderten „Modellschulen“ gehen soll, blieb bei der Anhörung offen.

Von sehr viel weitergehenden Reformprojekten wie der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden hält die hessische Ministerin offenbar wenig. Die Rolle der Schulleiterin sei „ganz entscheidend“, meinte sie auf das dortige Erfolgsmodell angesprochen, die Schule habe Klassengrößen von 20 Schülern, die Schulleitung könne die Lehrer selbst auswählen. Die „Übertragbarkeit“ sei aber offen – de facto hat die hessische Kultusministerin in ihre eigenen Modellversuche keine der Erfolgs-Bedingungen übernommen. Klaus Wolschner