Die Musik mal zwischen den Stühlen und mal aus dem Plüschsessel heraus: Neues von Jim Kroft und Do I Smell Cupcakes?

Nichts wäre die Berliner Musiklandschaft ohne Immigranten. Von nah und fern kommen sie, um die Stadt zur Kapitale der Electronica oder zur Ost-West-Drehscheibe zu befördern. Weder mit dem einen noch mit dem anderen, haben Jim Kroft und Do I Smell Cupcakes? zu tun. Aber der eine kommt von etwas weiter weg, nämlich aus Schottland, während die anderen ihre Habseligkeiten nur kurz in den Kofferraum werfen mussten, um aus Cottbus zu flüchten. Sehr verschiedene Voraussetzungen also, die Ergebnisse allerdings sind nicht mal so verschieden.

Kroft, der früher bei einer nie wirklich berühmt gewordenen Band namens Myriad Creatures tätig war, versucht seit seinem Umzug nach Berlin vor fünf Jahren, seine große Vorliebe für Radiohead und The Verve etwas zu tarnen, indem er die aktuelle Popmusik nach besten Kräften schröpft. Das führt dann auf seinem aktuellen Album „The Hermit & The Hedonist“ zu solch seltsamen Ergebnissen wie dem Song „The Jailer“, der klingt, als hätten Yes eine zu früh abgebrochene Frischzellenkur bekommen. Okay, Yes kennt kein Mensch mehr, und das ist auch gut so. Aber gleich danach folgt mit „If I‘m Born Too Late“ ein Stück, für das James Blunt auch noch die Hose ausgezogen hätte. Manche Stücke knuspern elektronisch vor sich hin, andere setzen schmalzige Geigen. Die Gitarren werden mal folkig gepickt, mal eher kräftig angeschlagen. Der Gesamteindruck aber ist eher unentschieden: Kroft hat sicherlich ein Gespür für eine eingängige Melodie, aber er setzt sich zu vehement zwischen zu viele verschiedene Stühle.

Do I Smell Cupcakes? dagegen wissen sehr, auf welchen Stuhl sie sich mit ihrem Debütalbum „Springs“ setzen wollen. Das ist dann aber ein großer, breiter, mit dickem bordeauxrotem Samt überzogener Plüschsessel. In den kuscheln sie sich so richtig schön ein und schmachten die Liebste an. Schwermütig klimpert das Klavier, gefühlvoll und meistens akustisch gitarrt die Gitarre, und Schlagzeuger Robert „Slady“ Marinow soll hier ausdrücklich genannt werden, weil er sich meist so demonstrativ zurückhalten muss. Es gibt Momente auf „Springs“, die sind so hemmungslos pathetisch, dass selbst Elton John verträumt seufzen müsste. Dann aber gelingt es Do I Smell Cupcakes? auch noch, den eigenen Kitsch im entscheidenden Moment mit einfachen Tricks abzufedern. Wie in „The Quantity Of Things“, dessen berückende Melodie genau dann, als sie gar zu viel Fruchtzucker zu entwickeln droht, Konkurrenz bekommt von einer vorwitzigen Trompete, die schließlich sogar eine paar lustige Free-Jazz-Schleifen dreht.

Nur manchmal versuchen sich die fünf Herren an allzu modischen Modernitäten. Dann klackert durch „Snake Devotion“ ein wenig einfallsreicher elektronischer Beat, aber das ist eh der langweiligste Song von „Springs“. Der Rest ist fast schon zu erwachsener, erstaunlich kontrollierter, mitunter wunderschöner Pop, der bestenfalls droht, an seiner eigenen Geschmäcklerei zu ersticken. Aber an an diesem Leiden krankten ja auch schon andere, größere, Steely Dan zum Beispiel. THOMAS WINKLER

■ Jim Kroft: „The Hermit & The Hedonist“ (R.D.S./ Cargo), live am 26.1. Postbahnhof

■ Do I Smell Cupcakes?: „Springs“ (JMG/ DA Music), Record Release heute im Frannz