Jukebox

Die sanfte Bitterkeit der Kathryn Williams

Eigentlich fühlte sich die Engländerin Kathryn Williams nicht dazu berufen, Sängerin zu sein. Sie plante eine Karriere darauf aufzubauen, Bilder von peinlich berührt dreinschauenden Hunden zu malen. Als sie merkte, dass der Markt für diese Art von Bildern unglaublich begrenzt ist, zog sie sich für ein Jahr in ihr Bett zurück und schrieb Songs. Irgendwie wollten mehr Leute diese Songs hören als ihre Bilder kaufen. Zum Glück, denn ihre Stimme ist wundervoll klar, die Musik sanft abgedunkelt und Vergleiche mit Nick Drake treffen durchaus zu. Allerdings lauern unter der sanften Oberfläche kleine, fiese Alltagsbetrachtungen. Und wie wir alle wissen, ist die Realität, wenn man nur lange genug hinschaut, immer bitter. In ihrer Heimatstadt Liverpool muss man dafür vielleicht auch weniger lang hinschauen als anderswo. Ihre Art der Bitterkeit ist dabei nicht die offensichtliche, melodramatische, sondern äußerst präzise und deswegen wahr. Um dies zu schätzen, muss man verstehen, wieso der Vorwurf in ihrem Song „Stood“, dass sie ihm unauffällig gefolgt ist, nur um ihn vielleicht zu sehen, und deswegen sogar gute Sendungen im Radio verpasst hat, so großartig ist. Dieses Lied ist auf ihrem zweiten Album „Little Black Numbers“. Genauso wie „Soul to feet“, das einen dazu inspiriert, es bestimmten Leuten vorspielen zu wollen, die sich darin sicher nicht wiedererkennen, auch wenn sie sollten. Die Sorte Leute, die zu beschäftigt sind, um jemals irgendwo lange zu bleiben, auch wenn sie diesen Eifer gewöhnlich nur vortäuschen und trotzdem niemals aufhören davon zu reden, wie großartig ihr Leben so ist. Diese Menschen brauchen Kathryn Williams nicht, sie haben ja die Fauxjazzsoße der letzten Jahre. Alle anderen, die Tee, Unterbeschäftigung, peinlich berührte Hunde und gut gezielte Gemeinheiten zu schätzen wissen, können sich schon auf das neue Album namens „over fly over“ freuen. SILKE BLEICHER