Regulierungsbehörde selbst zu stark reguliert

EU-Kommission leitet Verfahren gegen Deutschland ein: Markt für Telekommunikation noch nicht flexibel genug

BRÜSSEL taz ■ Die EU-Kommission fordert mehr Flexibilität bei der Regulierung des deutschen Telekommunikationsmarktes. Die nationale Gesetzgebung entspreche nicht ganz den europäischen Vorgaben. Das könne Nachteile für den Verbraucher haben, heißt es aus der Brüsseler Behörde. Deshalb ist gegen Deutschland und neun weitere Mitgliedsstaaten ein Verfahren wegen Vertragsverletzung eingeleitet worden.

Die Verstöße der Deutschen betreffen fast ausschließlich die Arbeit der nationalen Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt. Sie schreitet immer dann ein, wenn sie den Wettbewerb gefährdet sieht. Die Kommission wirft der deutschen Gesetzgebung vor, nicht ausreichend auf jeden einzelnen Fall eingehen zu können. „Die Behörde hat nicht die Macht, das für den Einzelfall richtige Instrument anzuwenden, weil der Gesetzgeber schon alles vorschreibt“, sagte Peter Rodford, Chef der Generaldirektion für Medien und Telekommunikation, gestern in Brüssel.

Das führe so manches Verfahren ad absurdum, denn bei jeder Beschwerde wird der Markt genau analysiert. Je nach dem Ergebnis dieser – oft über 500 Seiten langen Untersuchungen – sollen dann die geeigneten Mittel ergriffen werden. Das ist in Deutschland unmöglich, da das Gesetz zum Beispiel ausschließlich die Regulierung der Tarife als Maßnahme zulässt, wenn ein Anbieter den Markt dominiert.

Zurzeit untersucht die Kommission, welche Auswirkungen diese starren Vorgaben für die Verbraucher haben. Klar ist, dass die Tarifregulierung vor allem kleinere und neue Anbieter auf dem Markt gegenüber dem Riesen Deutsche Telekom benachteiligt.

Für den Kunden bedeutet das automatisch weniger Wettbewerb und damit auch höhere Preise. Auch deshalb fordert die EU-Kommission von den Deutschen mehr Flexibilität bei der Anwendung der verschiedenen Regulierungsinstrumente.

Alles in allem, so die EU-Kommission, habe Deutschland aber seine Arbeit gut gemacht und die europäischen Richtlinien zufriedenstellend umgesetzt. Das sähe man auch daran, dass die Preise fürs Telefonieren seit 1998 ständig gefallen sind. Die Kommission will nun bis Ende des Jahres auf die Antworten aus den Mitgliedsstaaten warten. In letzter Instanz entscheidet der Europäische Gerichtshof in Luxemburg darüber, ob die einzelnen Länder tatsächlich gegen EU-Recht verstoßen und die Vorgaben der Kommission umsetzen müssen.

RUTH REICHSTEIN