Grüne Ehe-Reformen

Die Grünen haben das Thema Zwangsheirat für sich entdeckt. Nun will auch die SPD Arbeitskreis gründen

BERLIN taz ■ Die Grünen wollen offenbar ihren Ruf als weltfremde Multikulti-Idealisten loswerden: Gleich mehrere Vorschläge für Gesetzesänderungen zum Thema Zwangsehe von Migrantinnen präsentierten sie diese Woche bei einer Veranstaltung der Fraktion. Bessere Rückkehrmöglichkeiten für Zwangsverheiratete nach Deutschland und längere Fristen für die Aufhebung von Zwangsehen – dafür will man nun kämpfen.

Nach den Ehrenmorden an türkischen Frauen in Deutschland war der Partei vorgeworfen worden, sie hätte sich aus Angst, als rassistisch zu gelten, zu wenig mit Menschen- und Frauenrechtsproblemen bei Migrantinnen befasst.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), hat konkrete Vorschläge in einem Positionspapier zusammengefasst. Neben Gesetzesänderungen im bürgerlichen und im Aufenthaltsrecht fordert sie Fortbildungen für Polizisten und Justizangestellte. Außerdem solle überprüft werden, ob der Datenschutz für Migrantinnen ausreiche.

Der Einsatz der Grünen ist auch bei der SPD auf offene Ohren gestoßen. So will Christel Humme, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, spätestens im Mai einen SPD-Arbeitskreis zum Thema Zwangsehe ins Leben rufen. Dies sagte sie gestern der taz. „Aus Menschenrechts-Gesichtspunkten sind gute Vorschläge gemacht worden“, so Humme. „Wir wissen aber noch nicht, welche der Ideen juristisch durchsetzbar sind.“ An ihrer Arbeitsgruppe sollen sich neben FrauenpolitikerInnen auch Rechts- und InnenpolitikerInnen beteiligen.

Eines der zentralen Probleme im Zusammenhang mit Zwangsehen ist das Aufenthaltsrecht: Momentan erlischt in Deutschland die Aufenthaltserlaubnis für Frauen, die zur Zwangsheirat ins Ausland gebracht worden sind, nach einem halben Jahr. „Somit haben die Betroffenen selbst dann, wenn es ihnen gelingt, sich aus der familiären Zwangslage zu befreien, keine eigenständige rechtliche Rückkehrmöglichkeit nach Deutschland“, kritisiert Beck. Sie fordert deshalb ein spezielles Wiederkehrrecht für Zwangsverheiratete.

Darüber hinaus sei es ein häufiges Problem, dass den Betroffenen von ihren Familien der Pass abgenommen werde. Beck regte daher an, einen speziellen Reiseausweis zu schaffen, der für Frauen in einer familiären Zwangslage ausgestellt wird.

Eine Zwangsehe ist in Deutschland nur innerhalb eines Jahres wieder aufhebbar. Deshalb fordern die Grünen, diese Frist zu verlängern, um den Opfern bessere Chancen zu geben, ihre Ehe annullieren zu lassen. Die heutige Rechtsprechung dazu sei „lebensfremd“, sagte Beck. NADINE BÖS