: Burundi
Das Königreich Burundi geriet wie das benachbarte Königreich Ruanda Ende des 19. Jahrhunderts unter deutsche Kolonialherrschaft, genannt „Ruanda-Urundi“ als Teil Deutsch-Ostafrikas. 1916 eroberte Belgien Ruanda-Urundi und erhielt nach dem Ersten Weltkrieg das Völkerbundmandat dafür. Hutu und Tutsi waren vor der Kolonialzeit nicht identitätsstiftend, sondern Hutu waren Bauern und Tutsi Viehzüchter. Viehbesitz bedeutete sozialen Status, aber identitätsstiftend waren die Clans. In Ruanda umfasste jeder Clan sowohl Hutu als auch Tutsi, in Burundi gab es noch andere Klassifikationen, sodass nicht einmal das Königshaus sich als Tutsi bezeichnete, sondern als „Ganwa“. Erst die Belgier setzten Ganwa mit Tutsi gleich, erklärten die Tutsi zur Herrscherkaste und definierten Hutu und Tutsi als Rassen.
Zur Unabhängigkeit ergriffen in Ruanda Hutu-Ideologen die Macht, die die Befreiung von der Kolonialherrschaft mit der Abschüttelung der Tutsi-Herrschaft gleichsetzten. In Burundi hatte sich aus dem Königshaus heraus die antikoloniale „Union für Nationalen Fortschritt“ (Uprona) entwickelt, die nicht zwischen Hutu und Tutsi unterschied und Patrice Lumumba im Kongo nahe stand. Unter Leitung von Prinz Rwagasore gewann sie 1961 die ersten freien Wahlen und führte Burundi zur Unabhängigkeit am 1. Juli 1962.
Die Ermordung Rwagasores durch weiße Söldner schwächte die neue Regierung, und die Ankunft vertriebener Tutsi aus Ruanda polarisierte die burundische Politik. 1965 scheiterte ein Putschversuch unzufriedener Hutu-Politiker, 1966 ergriffen Tutsi-Militärs aus dem Süden Burundis die Macht und ersetzten die Monarchie durch ein straffes Militärregime unter Oberst Michel Micombero mit der Uprona als Einheitspartei. Die Diktatur festigte sich 1972 durch die Niederschlagung eines Aufstands, bei dem zehntausende Hutu getötet wurden, darunter sämtliche mit höherer Bildung. 1976 putschte Jean-Baptiste Bagaza gegen Micombero, 1987 putschte Pierre Buyoya gegen Bagaza. Radikale Hutu-Rebellen versuchten periodisch Aufstände.
Die Demokratie erreichte Burundi unter Präsident Buyoya. Er organisierte Juli 1993 die ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit und verlor sie prompt an die Hutu-dominierte „Front für Demokratie in Burundi“ (Frodebu) unter Melchior Ndadaye. Der Bürgerkrieg begann im Oktober 1993, als der frisch gewählte Präsident Ndadaye von Tutsi-Soldaten ermordet wurde. Radikale Elemente der Frodebu verbündeten sich mit Hutu-Gruppen und begannen den bewaffneten Kampf, geführt vom „Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie“ (CNDD). Nach jahrelangen politischen Wirren putschte Buyoya 1996 erneut und erklärte sich zum Wiederhersteller der Einheit des Landes. Er ging eine „nationale Partnerschaft“ mit den im Land verbliebenen Resten der Frodebu ein und startete Friedensgespräche mit der zivilen Opposition, unter Vermittlung Südafrikas und Tansanias.
Das Friedensabkommen von Arusha als Ergebnis dieser Verhandlungen wurde im August 2000 unterzeichnet und setzte eine Allparteienregierung mit Quoten für Hutu und Tutsi ein. Ab November 2001 begann somit eine dreijährige Übergangsperiode hin zu freien Wahlen, erst mit Buyoya als Präsident und ab Mai 2003 mit seinem Frodebu-Stellvertreter Domitien Ndayizeye, der bis heute regiert. Unter Ndayizeye legten auch die meisten Hutu-Rebellengruppen die Waffen nieder, um sich in die Allparteienregierung und die Armee zu integrieren. Eine neue Verfassung, die die Quotierung politischer Ämter auch für die Zukunft festschreibt, ist seit Ende Februar 2005 in Kraft. D.J.
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