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Gegen die mittelmäßig Dummen

Er ärgerte sich über Juristen und Werbeärsche und war ein Chronist seiner Zeit: Im Willy-Brandt-Haus sind Bilder von Clodwig Poth zu sehen

Zurzeit sind Bilder von Chlodwig Poth im Willy-Brandt-Haus ausgestellt. Im Hauptquartier der Sozis ist es so angenehm, ruhig und klar, dass man geneigt ist, die SPD zu mögen. Der Schatten des Vergänglichen liegt ja irgendwie auch auf dieser Partei. Die Menschen machen einen netten Eindruck. Am Eingang muss man seinen Personalausweis zeigen und bekommt dann einen schönen Hausausweis.

Zwischen den Zeichnungen des im letzten Jahr mit 74 verstorbenen Satirikers und Zeitchronisten wandeln Frauen Mitte fünfzig und lachen manchmal über Sprechblasen, in denen etwa steht: „Geh zu deinesgleichen, Töle“. Poth hatte einen Rauschebart und weiße lange Haare. Er starb an einem Magengeschwür, der „Berufskrankheit der Satiriker“ (Poth). „Er ist überhaupt nicht tot, er ist ja nur gestorben“, hieß es im Nachruf von Oliver Maria Schmitt. „Als Satiriker ist man ein Berufsärgerer: Du wachst morgens auf, bist eigentlich guter Laune, es ist ein schöner heller Tag – und dann musst du dich hinsetzen und dich über irgendetwas ärgern.“

Er ärgerte sich über furchtbare Juristen, Werbeärsche, vor allem war er jedoch ein Chronist seiner Zeit; ein Unzeitgemäßer auch in seinen letzten Jahren. Ganz und gar nicht „hip“. Mit fünfzehn zeichnete er kleine, von Wilhelm Busch beeinflusste Szenen aus dem Luftschutzkeller so für sich. „Wohnblockknacker“ sei das deutsche Wort mit den meisten ks drin, schrieb er einmal. Später distanzierte er sich von seinem ersten Vorbild wegen dessen Antisemitismus.

Seine ersten Zeichnungen erschienen ihn der Jungen Welt, im Nachkriegsberlin gründete er die 1-Mann-Satirezeitschrift Igel. 1962 dann zusammen mit Traxler Pardon und 1979 die Titanic. Zitternder Strich, wilde Schraffuren, hübsche Blasen. Nie denunziatorisch oder von oben herab, nur manchmal sehr wütend, in seinen „Hassblättern“ beispielsweise. Manche warfen ihm Harmlosigkeit vor. Er war aber kein Punker, sondern Chronist des Alltags, in dem er wohnte. So zeichnete er kleinmütige, alltagsrassistische, geizige, gewohnheitstrinkende Mitbürger. Missmutige Ehepaare. Alte und Junge; vereinsamt irgendwie auch in ihren Flausen. Als älterer Beobachter schon, mit einem gewissen Befremden über die Jetztzeit, aber ohne Hass.

In seinen letzten Jahren lebte er im Frankfurter Vorortbezirk Sossenheim. Die Serie „Last Exit Sossenheim“ erschien ja in der Titanic.

So für sich und viel größer sind die Bilder viel schöner. Am besten gefallen mir seine „Stadtschaften“; große Zeichnungen ohne Worte. Brügge, Gent, Venedig, New York, Frankfurter Vororte usw. Sorgfältig naturgetreu gestrichelt, angenehme Farbtöne, schöne Himmel, gänzlich unspektakuläre Motive. HL-Supermärkte, Kleinwägen, Fahradfahrer unter Autobahnkreuzen, Autohäuser. Gänzlich posenfrei. Die Menschen sind so mittelmäßig dumm und unangenehm und redundant in ihren Sprechblasen.

Das macht ein bisschen traurig. Es ist schön, stimmt aber auch recht wehmütig, durch diese Ausstellung zu gehen. Obgleich man ihn so sympathisch und integer fand, gehört man selbst ja schon nicht mehr zu der Generation, die über Poths Sprechblasen wirklich lachen konnte. Er gehörte als Künstler und Satiriker einer aussterbenden Gattung gewissermaßen an, die zuletzt vor dreißig Jahren … Ach was. Ist alles prima!

DETLEF KUHLBRODT

Bis 24. April, Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, Kreuzberg

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