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: Die Hybris der glorreichen Verlierer

Nach der Schlappe gegen Chelsea schweben die Münchner Bayern in der Gefahr, auch noch die anderen Titel zu verspielen

„Je lauter sie daherkommen, desto gewaltiger platzen sie.“ Für den FC Bayern München könnte diese fundamentale Weisheit des jungen Bob Dylan in der prekären kommenden Woche bittere Wirklichkeit werden, wenn er nicht schnell auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt. Die Namen der Gegner beim heutigen Bundesligaspiel in Hannover, dem Pokal-Halbfinale am Mittwoch in Bielefeld und dem Heimspiel am Samstag darauf gegen Bochum klingen zwar nicht sonderlich spektakulär, genau dort liegt jedoch die Gefahr.

Lauschte man nach dem 3:2 gegen den FC Chelsea am Dienstag den Verantwortlichen des Münchner Klubs, bekam man den Eindruck, hier sei mit den Bayern gerade die größte Fußballmannschaft nicht nur der Galaxis, sondern des Universums schreiend ungerecht aus der Champions League entfernt worden. „Die schlechtere Mannschaft“ sei ausgeschieden, höhnte Manager Uli Hoeneß den Londonern hinterher, „verdammt noch mal das Glück“ habe gefehlt, sprach Franz Beckenbauer, „auf der Höhe von Chelsea, Juventus und dem AC Mailand“ sah Trainer Felix Magath sein Team, nur Torhüter Oliver Kahn räumte ein, dass Chelsea „dieses eine Zehntel“ besser gewesen sei.

Immer wieder wurde die Feldüberlegenheit der Bayern im Rückspiel erwähnt, wurden ihre Torchancen aufgezählt, die man eben nur hätte nutzen müssen, dann wäre alles anders gekommen. Nichts könnte der Wahrheit ferner sein. In Wirklichkeit hat Bayern München, auf Champions-League-Niveau übertragen, gespielt wie ein Absteiger. Eine Zeit lang prächtig aufspielen, Torgelegenheiten erarbeiten und diese kläglichst vergeben, schließlich das dumme Gegentor zum Verhängnis kassieren, das kennen in der Bundesliga Mannschaften wie Freiburg, Rostock, Bochum oder Mainz zur Genüge. Das ist Loserfußball erster Güte.

Fast alle Kommentatoren machten zudem den Fehler, das Spiel so zu bewerten, als sei es beim Stand von 0:0 losgegangen. Das war aber mitnichten der Fall. Der FC Chelsea hatte nach dem 4:2 im Hinspiel zwei Tore Vorsprung, und so spielte er auch. Gerade die aufreizende Überheblichkeit, mit der sich das Team von José Mourinho auf das Nötigste beschränkte, Bayern getrost stürmen ließ, stets überzeugt, jederzeit ein Tor schießen zu können, und sogar den staksigen Robert Huth als rechten Verteidiger aufbot, zeigte, wie groß der Klassenunterschied zwischen beiden Teams tatsächlich ist und wie wenig Mourinho die Bayern ernst nahm. Tatsächlich war Chelsea in den beiden Partien keine einzige Sekunde lang in Gefahr, den Kürzeren zu ziehen. Dass sie fünf Minuten zu früh abschalteten und deshalb nicht zweimal siegten, kann man nicht ernsthaft als Beleg für Bayern-Qualität werten.

Umso trügerischer die Sicherheit, in der sich die Münchner nach dem Chelsea-Match bezüglich deutscher Meisterschaft und Pokalsieg wogen. „Nach so einem Spiel wie heute habe ich da keine Bedenken“, sprach Michael Ballack für die meisten, nur Oliver Kahn mahnte wie gewohnt zur Vorsicht. Der Keeper hat genug mitgemacht, um zu wissen, dass im Fußball nichts verderblicher ist als das Gefühl gottgegebener Überlegenheit und der Glaube, dass nichts schief gehen kann, weil man ja so viel besser ist als die anderen. Fehler, wie sie die Bayern gegen den FC Chelsea begingen, der auch in München zwei Tore erzielte, obwohl er kaum etwas dafür tat, nutzen an guten Tagen auch Hannover, Bielefeld oder Bochum aus.

Und was in München los sein wird, wenn die nächsten Partien nicht nach Wunsch laufen, das deutet jetzt schon der Streit zwischen Kahn und Willy Sagnol an. Der Franzose war vor dem zweiten Chelsea-Tor so gemächlich auf Flankengeber Joe Cole zugetrottet, dass man unwillkürlich glaubte, der Schiedsrichter habe das Spiel unterbrochen. Kahn sprach von „Altherrenfußball“, Sagnol konterte laut Bild-Zeitung mit dem Hinweis auf Fehler des Torhüters, die er gar nicht aufzählen könne: „Ich bräuchte zehn Tage dafür.“

Eilfertig versucht Felix Magath, die innermannschaftlichen Risse zu kitten: „Davon zu reden, das wir uns selbst zerfleischen würden, halte ich für ausgemachten Quatsch.“ Die Woche wird zeigen, ob der Bayern-Trainer Recht behält oder doch eher Bob Dylan. MATTI LIESKE