Fußpflege unter der Grasnarbe
: Sport statt Hamburg

Im Einkaufszentrum Hamburger Straße, wo sonst allenfalls der Sprint zum nächsten Schnäppchen ansteht, war vergangene Woche schwer Bewegung. Da wurde gefochten und geradelt, gesegelt und getanzt. Schon bald regte das schlechte Gewissen den schönen Stoßseufzer an, Frau hätte mit Frau in der Mittagspause ja „auch schön Tischtennis spielen können“. Das ging da auch, vergangene Woche im EKZ. Und weil Bewegung allein manchmal eben doch nicht reicht, war selbst die Beautyklinik Pöseldorf vor Ort, um einschlägige Maßnahmen zu unterbreiten.

Die Aktion mit dem überragenden Slogan „Active 2005“ galt vermutlich vor allem jenen, die immer noch nicht mitbekommen haben, dass Hamburg aber so was von eine Sportstadt ist. Oder gar Sportmetropole? Oder… doch nicht? Gegenfrage: Kennen Sie eine andere Stadt, in der sich so gut und umkompliziert Sport treiben lässt? Auch jenseits einer Vereinsbasis und trotz einer Polizei, die neuerdings sogar bis in den Osterbekkanal hinein patrouilliert, um stramme Ruderer und gemütliche Paddler über Megafon zum Rechtsfahren anzuhalten. Wenn da man nich’ mal einer ins Wasser fällt, vor Schreck.

Kennen Sie eine andere Stadt, die einen Regionalligisten beherbergt, der zuweilen auf Kreisklassenniveau diskutiert und agiert –und das vor einer Kulisse, die locker zumindest der Zweiten Bundesliga würdig wäre? Tja, und dann gibt es in dieser Sportstadt noch einen Bundesliga-Dino, der bis vor einiger Zeit sehr lange Zeit konsequent seinen großen Zeiten vor langer, langer Zeit hinterherweinte. Und es geschafft hat, dabei trotzdem irgendwie nicht abzusteigen. Freunde, wenn das kein ganz großer Sport ist!

Die unselige Debatte – Sportstadt ja, und wenn nein, warum doch? – war jüngst wieder entbrannt, als im Hinblick auf die Fußball-WM vermeintlich Skandalöses aus hiesigen Amtsstuben vermeldet wurde. Nämlich erfrischende Untätigkeit. In der ihren eigenen Bescheidenheit, die nur Argwöhnische als Bräsigkeit interpretieren, haben die Hamburger besondere Anstrengungen im Vorfeld des großen Ereignisses schlicht für unnötig erachtet. Sollen sich doch die Münchener mit einem von Zinedine Zidane inspirierten Ballett lächerlich machen und meinetwegen sogar Eddie Stoiber mittanzen lassen. Sollen die Kölner Wolfgang Overath im alten FC-Meistertrikot vom rechten ans linke Rheinufer schwimmen lassen. Gewiss wird auch den Hauptstädtern garantiert wieder was angemessen Hauptstädtisches (vulgo: Beklopptes) einfallen.

Wir in Hamburg brauchen als einzige neue Rahmenbedingung für den großen Showdown in der „Arena Hamburg“ ein paar S-Bahnen mehr zwischen Stellingen und Hauptbahnhof. Aber bitte: Nehmt uns nicht den Tunnel! Dieses einmalige Flair, wenn Halbweltfiguren mit Einkaufswagen ihre Holsten-Dosen anpreisen, unterlegt vom schönsten Echo nördlich der Leine, teilen wir doch gerne mit Gästen aus aller Welt. Die bestimmt alle sogleich übersiedeln wollen in diese tierische Sportstadt Hamburg. Jörg Feyer